Klage auf Schadensersatz erneut abgelehnt Wandern auf eigene Gefahr

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Einem Mann, der während einer Wanderung auf dem Harzer-Hexen-Stieg von einem umstürzenden Baum erfasst und dabei schwer
verletzt wurde, steht kein Schadensersatz zu. Das hat das Oberlandesgericht Naumburg in einem Berufungsverfahren entschieden. Der Mann hatte zuvor vergeblich vor dem Landgericht Magdeburg geklagt und von der Stadt Thale Schmerzensgeld von mindestens 200.000 Euro verlangt. Der Deutsche Wanderverband bedauert derartige Unfälle ausdrücklich, begrüßt das Urteil aber, da es seinen Mitgliedsorganisationen für ihre tägliche Arbeit Sicherheit gebe und die Bedeutung eigenverantwortlichen Handelns betone.
Nach eigenen Angaben wurde der Kläger im Juli 2018 auf dem touristisch beworbenen Harzer-Hexen-Stieg von einem
herabstürzenden Baum erfasst und schwer verletzt. Der Unfall ereignete sich auf einem Waldgrundstück der Stadt Thale. Der Verletzte war der Auffassung, dass die Stadt ihre Verkehrssicherungspflichten verletzt habe. Der Baum sei deutlich erkennbar abgestorben gewesen und wäre bei der Durchführung einer Baumschau sofort als Gefährdungsbaum ersichtlich gewesen und gefällt worden, so dass es nicht zu dem Unfall gekommen wäre.

Das Landgericht Magdeburg folgte dieser Auffassung nicht. Es wies die Klage aufgrund der geltenden Gesetzeslage (§ 4 und § 22
Landeswaldgesetz Sachsen-Anhalt) und der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Urteil vom BGH, Urteil vom 02. Oktober 2012 – VI ZR 311/11) ab. In einer Mitteilung des Landgericht Magdeburg heißt es: „Der Waldbesucher, der auf eigene Gefahr Waldwege betritt, kann grundsätzlich nicht erwarten, dass der Waldbesitzer Sicherungsmaßnahmen gegen waldtypische Gefahren ergreift. Mit
waldtypischen Gefahren muss der Waldbesucher auch auf Wegen rechnen. Er ist primär selbst für seine Sicherheit verantwortlich.
Risiken, die ein freies Bewegen in der Natur mit sich bringt, gehören grundsätzlich zum entschädigungslos hinzunehmenden allgemeinen Lebensrisiko. Dementsprechend können und müssen auf Wanderwegen nicht sämtliche Gefahren ausgeschlossen werden.
Würde man eine völlige Gefahrlosigkeit der Wanderwege fordern, müsste man auf reizvolle Routen im Bergland ebenso wie auf einsame
Waldpfade im Flachland aus Haftungsgründen verzichten. Auch nach der gesetzlichen Risikoverteilung aus § 22 LWaldG LSA haftet selbst auf stark frequentierten und touristisch beworbenen Waldwegen der Waldbesitzer nicht für waldtypische Gefahren.“

Das Oberlandesgericht Naumburg hat diese Auffassung Mitte Dezember 2020 bestätigt und die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Dem Kläger stehe kein Schadensersatz zu, weil sich mit dem Umsturz des Baumes eine „waldtypische“ Gefahr verwirklicht habe, für die die beklagte Stadt auch auf Wanderwegen nicht hafte.

Der Deutsche Wanderverband (DWV) bedauert derartige tragische Unfälle beim Wandern zwar ausdrücklich, hält die Entscheidung aber
aus mehreren Gründen für hilfreich. DWV-Geschäftsführerin Ute Dicks: „Das Urteil gibt unseren Mitgliedsorganisationen Sicherheit. Die
Haftungsfrage auf Wanderwegen ist in vielen Vereinen immer wieder ein großes Thema. Außerdem zeigt die Entscheidung, dass Leitwege wie der Harzer-Hexen-Stieg juristisch ebenso behandelt werden wie andere Wanderwege. Sie unterliegen also keinen besonderen Auflagen. Das ist besonders für Qualitätsangebote wie die Qualitätswege ´Wanderbares Deutschland` relevant. Nicht zuletzt
verdeutlicht das Urteil, wie wichtig selbstverantwortliches Handeln auch draußen in der Natur ist.“

Seit 1883 vertritt der Deutsche Wanderverband gegenüber Politik und Behörden die Interessen seiner Mitglieder und ist der Fachverband für das Wandern und die Wegearbeit in Deutschland. Als Dachverband von rund 70 landesweiten und regionalen Gebirgs- und Wandervereinen mit rund 600.000 Mitgliedern hat der DWV wichtige Initiativen wie das Kita-, Schul- und Gesundheitswandern oder die Ausbildung von Wanderführer*innen gemeinsam mit Partner*innen ins Leben gerufen. Als anerkannter Naturschutzverband hat der DWV zudem eine wichtige Funktion im Dialog von Naturnutzer*innen und -schützer*innen. Er ist Initiator des bundesweiten Tages des Wanderns am 14. Mai und zertifiziert im Rahmen der Qualitätsinitiative „Wanderbares Deutschland“ Regionen, Wege und Gastgeber, wenn sie sich besonders gut für Wanderer eignen.