Otto‐Hirsch‐Auszeichnung 2020 für Prof. Robert Jütte

Prof. Dr. Dr. h.c. Robert Jütte wurde am 5. Juli 2021 im Rahmen eines feierlichen Festakts im Haus der Wirtschaft in Stuttgart mit der Otto-Hirsch-Auszeichnung 2020 für „seine national wie international außerordentlich geschätzten journalistischen und wissenschaftlichen Leistungen im Hinblick auf das Judentum und für sein herausragendes Eintreten für die christlich‐jüdische Zusammenarbeit sowie für ein gegenseitiges Verständnis der Kulturen und Religionen im Geiste gesellschaftlicher wie religiöser Toleranz“ geehrt.

Die Otto-Hirsch-Auszeichnung wird jährlich gemeinsam von der Stadt Stuttgart, der Israelitischen Religionsgemeinschaft Württembergs (IRGW) und der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit (GCJZ) Stuttgart verliehen. So nahmen der Stuttgarter Oberbürgermeister Dr. Frank Nopper, Prof. Barbara Traub von der IRGW und Bürgermeisterin Isabel Fezer als Vertreterin der GCJZ die Ehrung vor. An der Feierstunde hatten u.a. auch die Landtagspräsidentin Muhterem Aras, die Justizministerin Marion Gentges, Abgeordnete und Stadträte sowie der ehemalige Stuttgarter Oberbürgermeister Fritz Kuhn teilgenommen.

Geboren wurde Prof. Robert Jütte 1954 in Warstein/Westfalen und schon als Kind und während der Schulzeit hatte er ein großes Interesse für jüdische Geschichte und auch für die deutsche Sprache. Erstaunlich ist, dass Prof. Jütte von Haus aus keinen direkten Bezug zu jüdischem Glauben und Leben hatte und später auch keinen Lehrstuhl für Judaistik, umso mehr hob der Laudator Dr. Ulrich Bopp die besonderen Verdienste hervor, da das Lebenswerk Prof. Jüttes, seine herausragenden Arbeiten um die Geschichte der Juden „nebenher“ geleistet wurden.

Prof. Jütte studierte Geschichte und Germanistik an den Universitäten Marburg/Lahn, London und in Münster/Westfalen. Von 1983 bis 1989 lehrte er als Dozent und später als Professor für deutsche Geschichte an der Universität Haifa. In Stuttgart übernahm er ab 1990 die Leitung des „Instituts für Geschichte der Medizin der Robert Bosch Stiftung“ und eine Professur für Neuere Geschichte an der Universität Stuttgart. Die Forschungsschwerpunkte Prof. Jüttes liegen in den Bereichen „Juden in der Medizin“, „Jiddisch und Rotwelsch“, die „Geschichte der Emigration“ sowie „jüdische Historiker“.

Zudem hatte sich Prof. Jütte von 1981 bis 1983 als Auslandskorrespondent der israelischen Tageszeitung „Ma`ariv“ in Bonn und von 1984-1990 als Korrespondent der „Allgemeinen Jüdischen Wochenzeitung“ in Israel bleibende Verdienste um die Völkerverständigung erworben. Seit 2001 ist Prof. Jütte Mitherausgeber von „Aschkenas. Zeitschrift für Geschichte und Kultur der Juden“ (Tübingen). Auch für die „Vereinigung für Jüdische Studien e. V. (Potsdam)“ und die „Gesellschaft zur Erforschung der Geschichte der Juden“ war er aktiv.
Prof. Jütte wurde für seine herausragenden Verdienste 2010 mit dem „Louis and Bessie Stein Fellowship at the Katz Center for Advanced Judaic Studies Philadelphia“ gewürdigt und erhielt 2018 die Ehrendoktorwürde „Doctor of Hebrew Letters“ des „Spertus Institute for Jewish Learning and Leadership“ in Chicago.

Dr. Otto Hirsch (1885-1941) wurde in Stuttgart geboren und starb 1941 im Konzentrationslager Mauthausen. Der promovierte Jurist war Rechtsrat der Stadt Stuttgart und 1921 als Ministerialrat im württembergischen Innenministerium Mitbegründer der Neckar-Aktiengesellschaft. 1933 wurde er von den Nationalsozialisten entlassen. 1926 hatte Otto Hirsch das Jüdische Lehrhaus Stuttgart mitbegründet und 1930 wurde er als Präsident des Oberrats der Israelitischen Religionsgemeinschaft Württembergs gewählt – dabei wirkte er als engagierter Brückenbauer zwischen den Religionen. Von 1933 bis 1941 war er Geschäftsführender Vorsitzender der Reichsvertretung der Deutschen Juden. Dank seines Einsatzes und seiner Hilfe konnte ab 1933 zehntausenden von jüdischen Menschen das Leben durch Auswanderung gerettet werden. 1985, zu seinem 100. Geburtstag, wurde die Otto Hirsch gewidmete Auszeichnung ins Leben gerufen. Persönlichkeiten, Gruppen oder Initiativen, die sich in besonderer Weise um die interreligiöse Zusammenarbeit verdient gemacht haben, vor allem zwischen Christen und Juden, werden damit ausgezeichnet - sie gilt als Auszeichnung für Völkerverständigung und Integration. Neben der Urkunde wird eine von der Künstlerin Christine Braun geschaffene Skulptur überreicht.

Musikalisch umrahmt wurde die Feierstunde von dem mehrfach international ausgezeichneten Pianisten Prof. Jascha Nemtsov, der u.a. 2018 den OPUS KLASSIK erhielt und für den Festakt Werke verfolgter Komponisten auswählte, von Joachim Stutschewsky und Juliusz Wolfsohn – und als Besonderheit die Uraufführung einer 78 Jahre alten Komposition von Bernhard Sekles.

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Diana Rasch

Oberbürgermeister Dr. Frank Nopper, Bürgermeisterin Isabel Fezer (GCJZ), Prof. Robert Jütte, Prof. Barbara Traub (IRGW) Text und Foto: Diana Rasch