Langsam, aber stetig steigt die Zahl von Urlaubern, die für ökologische, ökonomische und soziale Nachhaltigkeit selbst Hand anlegen.

Beim Reisen Gutes für die Umwelt tun – diese Idee steckt hinter dem ehrgeizigen Projekt „Voluntourismus“. Praxiserfahrung zum Schutz der biologischen Vielfalt können Gäste jetzt auch im Naturpark
Südschwarzwald sammeln. Die Nachfrage nach solchen Arbeitseinsätzen im Einklang mit der Natur macht Hoffnung. Forstverwaltung und Tourismusgesellschaft Hochschwarzwald haben deshalb ein Programm
aufgelegt, um dem neuen Trend Rechnung zu tragen. Ein Erfahrungsbericht.

Es gibt Waldbewohner, die lernt ein Wanderer eher zufällig kennen – die „Arktische Smaragdlibelle“ beispielsweise. Sie zählt zu den bedrohten Tierarten. Um dem selten gewordenen Sechsfüßler beim Überlebenskampf unter die Flügel zu greifen, hat sich eine kunterbunt gemischte Gruppe von Freiwilligen aus Jugendlichen und Senioren mit derselben Motivation zusammengefunden. Eine zugewachsene Lichtung soll gerodet oder zumindest großflächig von Pflanzen befreit werden.
Biotoppflege mit Förster Johannes von Stemm nennt sich die schweißtreibende, aber lehrreiche Aktion im dichten Geäst. Keiner derer, die heute kräftig mit anpacken wollen, hat bislang Erfahrung in der Disziplin „Weg mit dem Baum“ gesammelt. Aber wo ein Wille ist ...
„Was machst du gerade falsch?“, fragt der aufmerksame Waldhüter. Der Helfer zuckt ratlos die Schultern. „Du stehst genau da, wo der angesägte Baum dich treffen würde.“ Ups, hilft also nur ein betretenes Gesicht machen und rasch zu Seite treten. Dann hallt das Kommando „Baum fällt“ durch das Unterholz. Und das passiert häufiger an diesem Sommertag. Johannes von Stemm muss ständig ein achtsames Auge darauf haben, dass alle „Amateure“ einen sicheren Platz einnehmen. Erst nach Blickkontakt bekommt der Stamm den letzten Kick. Die alte Fichte schlägt natürlich genau dort auf, wo der unerfahrene Umweltretter vorher gestanden hatte.
„Learning by doing“ heißt es in den zwei Stunden Knochenarbeit immer wieder. „Bitte festes Schuhwerk und wetterangepasste Kleidung“ steht in der Einladung. Wer den Hinweis überlesen hat, kämpft später immer wieder mit dem holprigen Moorboden. Werkzeug wird gestellt: Äxte, Sägen, Astscheren, Schutzbrillen, Handschuhe, also alles, was der Waldarbeiter braucht. Sicher ist sicher und leuchtend orangene Heitshelme dürfen natürlich nicht fehlen. An Mittel gegen die lästigen Mücken hätte man eigentlich selbst denken können. Aber wie gesagt: „Learning by doing.“
Noch bevor es entlang eines markierten Weges hinunter ins Dickicht geht, werden letzte Unklarheiten beseitigt. Johannes von Stemm lehnt an sein mit nützlichen Gerätschaften vollgestopftes „Waldmobil“ und teilt systematisch die Arbeitsgruppen ein. In jeder Mannschaft gibt es einen mit Schere, einen mit Bügelsäge und einen, der die Hacke schwingen darf. Jetzt wird es ernst: Welchen Baum nimmt man zuerst in Angriff? Welche Fallrichtung könnte gefährlich werden? Wer schleppt die sperrigen Tannen aus dem Weg?
Bald hört man im Wald nur noch Tock-Tock-Tock und Ritsch-Ratsch. Schneller als gedacht wird das gerade eben Eingebläute nahtlos in die Tat umgesetzt. Und es macht schnell immer mehr Spaß als Hobbylandschaftsgärtner im Grünen herumzuschnippeln. Schere und Axt lassen störende Äste am Fuß der Bäume verschwinden, um Platz zu schaffen für den Helfer mit der Säge. Einmal waagrecht angesetzt, einmal im 45-Grad-Winkel und schon hat man einen „Fallkerb“ in den Stamm geschnitten. Ein dritter Einschnitt auf der rückwärtigen Seite, ein Schubs von hinten und schon kippt die stolze, über 40 Jahre alte Fichte dorthin, wo keiner herumsteht. Alles „bis Bierkrugstärke“ hat keine Chance, den entschlossenen Voluntouristen zu entkommen. Der Lebensraum für die Libellenart, die bisher kaum einer kannte, wächst von Minute zu Minute. Zufriedenheit steht in den schwitzenden Gesichtern geschrieben, als die Lichtung endlich ihren Namen verdient. Nach zwei Stunden Malochen gibt es das verdiente Vesper und ein Lob vom Förster.
„Unser Ziel ist ein bunter, vielfältiger Wald und ihr habt heute sehr schnell sehr viel geschafft“, freut sich Johannes von Stemm, der auf einem wahren Berg gefällter Bäume steht. Menschen in den Wald zu holen, das Bewusstsein für die Natur zu fördern und persönliche Bezüge zu schaffen, diese Ziele des Voluntourismus seien voll erfüllt. „Auf baldiges Wiedersehen, Arbeit gibt es noch genügend“, verweist er auf die Internetseite des Naturparks.
Im Südschwarzwald stehen in diesem Sommer noch mehr Tageseinsätze sowie eine siebentägige Aktivreise auf dem Plan. Die Themen: Biotoppflege für Auerhühner, Bekämpfung von eingeschleppten Pflanzenarten oder die Offenhaltung von Lebensräumen für gefährdete Insekten wie die Smaragdlibelle. Die Einsätze laufen am Feldberg und am Rohrhardsberg, in der Wutachschlucht, bei Kirchzarten sowie am Titisee.

Wolfsch
wolf h. goldschmitt

INFO:
www.voluntourismus-im-naturpark.de

Wolf H. Goldschmitt