Wie Heidelberg die Rechte von Menschen mit Behinderungen stärkt Zehn Jahre UN-Behindertenrechtskonvention in Deutschland: Heidelberg zieht Bilanz

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Gleiches Recht für alle: Vor zehn Jahren haben sich 177 Staaten verpflichtet, die bestehenden Menschenrechte auch für Menschen mit Behinderungen zu konkretisieren. Über fünf Jahre lang ist an der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) gefeilt worden. Sie betrifft weltweit rund 650 Millionen Menschen. Ziel ist es, die Chancengleichheit in der Gesellschaft zu fördern. In Deutschland ist die UN-BRK am 26. März 2009 in Kraft getreten. Zu diesem Anlass hat die Kommunale Behindertenbeauftragte der Stadt Heidelberg, Christina Reiß, Bilanz gezogen. Ihre Bestandsaufnahme zeigt, welche Artikel der UN-BRK in Heidelberg schon gut umgesetzt sind und in welchen Bereichen Handlungsbedarf besteht. Sie stellt diese beim sogenannten „Inklusionslabor“ vor, einem Themennachmittag für alle Interessierten am 23. März in der Bahnstadt. Über die Bilanz sprachen Oberbürgermeister Prof. Dr. Eckart Würzner und Christina Reiß vorab bei einem Pressetermin am Montag, 11. März 2019, im Rathaus.

„Heidelberg hat sich auf den Weg zu einer inklusiven Kommune gemacht – von den, Weltspielen der Gelähmten‘ im Jahr 1972 bis zur Entwicklung eines inklusiven Stadtteils wie Patrick Henry Village (PHV)“, resümiert Christina Reiß. „Es sind viele Weichen gestellt worden; zum Beispiel sind die Themen Barrierefreiheit und Inklusion im Stadtentwicklungsplan verankert worden. Bis diese strukturellen Entscheidungen jedoch in der Lebenswirklichkeit eines jeden Menschen ankommen, dauert es.“

„Die UN-Behindertenrechtskonvention hat viel bewegt: An vielen Stellen hat sich die Gesellschaft auf den Weg zu einer inklusiven Gesellschaft gemacht“, sagte Prof. Dr. Eckart Würzner und betonte: „Die Kommune ist der Ort, an dem das am meisten erlebbar wird – und auch in Heidelberg hat sich in den vergangenen Jahren einiges getan. Auch dank des Engagements vieler Menschen mit Behinderung! Dank der Bestandsaufnahme sehen wir, wo Heidelberg bei der Umsetzung der UN-BRK steht. Sie ist eine gute Grundlage dafür, wie die Weichen in den kommenden Jahren gestellt werden sollen.“

Stadt lädt Interessierte ein zum „Inklusionlabor“ am Samstag, 23. März

Allen Interessierten stellt die Kommunale Behindertenbeauftragte die Bestandsaufnahme am Samstag, 23. März 2019, von 15 bis 18 Uhr bei einem Themennachmittag in der Bahnstadt vor. Das sogenannte „Inklusionslabor“ findet im Bürgerhaus B3, Gadamerplatz 1, 69115 Heidelberg, statt. Die Besucherinnen und Besucher können sich an Thementischen über Barrierefreiheit, Diskriminierung und Teilhabe austauschen und diskutieren, welche Projekte in Zukunft umgesetzt werden sollen. Eine Anmeldung ist nicht erforderlich. Bei der Veranstaltung wird in Schrift und Deutscher Gebärdensprache gedolmetscht. Das Bürgerhaus B3 ist barrierefrei zugänglich und mit einer Induktionshöranlage/FI-Anlage ausgestattet. Weitere Infos unter www.heidelberg.de/inklusionslabor.

Details der Heidelberger Bestandsaufnahme zur UN-BKR

Die Bestandsaufnahme führt nicht nur Maßnahmen der Stadtverwaltung auf, sondern auch die der Zivilgesellschaft, denn die Umsetzung der UN-BRK ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Die Bilanz beleuchtet folgende Themengebiete:

 Barrierefreiheit und Mobilität („Hinkommen – Reinkommen – Klarkommen!“)
 Recht, Schutz und Nichtdiskriminierung („Behindern. Verhindern.”)
 Gesellschaftliche Teilhabe („Teil Sein – Teil Haben”)
 Bildung und Arbeit („Chancen für alle”)
 Wohnen: („In allen Lebenslagen ein passendes Dach über dem Kopf“)

Beispiele für Heidelberger Besonderheiten – was schon erreicht wurde:

 Interessenvertretung: Seit über zehn Jahren vertritt der Beirat von Menschen mit Behinderungen der Stadt Heidelberg die Interessen von Menschen mit Behinderungen.
 Der Heidelberger Gemeinderat hat einen Grundsatzbeschluss zu barrierefreiem Bauen gefasst.
 Wohnen: Heidelberg fördert den barrierefreien Umbau von Wohnungen und öffentlich zugänglichen Gebäuden mit bis zu 50 Prozent der Kosten.
 Die städtische Fachstelle Barrierefreies Planen, Bauen und Wohnen berät zum Thema Barrierefreiheit in Gebäuden.
 Bei der Aktion „Hürdenlos rein“ wirbt die Stadt bei Inhaberinnen und Inhabern von Geschäften und Gastronomiebetrieben für die Anschaffung mobiler Rampen (www.heidelberg.huerdenlos.de).
 Der Routenplaner für Mobilitätseingeschränkte (Hürdenlos-Navi) hilft künftig, mit dem Smartphone hürdenlose Wege durch die Stadt zu planen.
 Der Inklusions-Atlas, eine frei zugängliche Datenbank (www.heidelberg.de/inklusionsatlas) führt Angebote für Menschen mit Behinderungen auf, die beispielsweise eine neue Sportart ausprobieren, im Chor singen oder Kontakte zu einer Freizeitgruppe knüpfen wollen.
 Die Kommunale Behindertenbeauftragte ist als Stabsstelle beim Oberbürgermeister angesiedelt, um deutlich zu machen, dass Inklusion ein Querschnittsthema ist.
 Eine so systematische Bestandsaufnahme zur Umsetzung der UN-BRK hat – soweit bekannt – noch keine andere Kommune vorgelegt.

Die Bestandsaufnahme weist für Heidelberg noch folgenden Handlungsbedarf auf:

 Wohnen: Bezahlbarer barrierefreier Wohnraum: Menschen mit Behinderungen konkurrieren auf einem sehr angespannten Wohnungsmarkt mit anderen Bevölkerungsgruppen, bringen aber oft schlechtere Voraussetzungen mit.
 Einkommen: Die Möglichkeit, eigenes Geld zu verdienen, ist eingeschränkt: Die Arbeitslosenquote ist unter Schwerbehinderten doppelt so hoch wie in der Durchschnittsbevölkerung.
 Unterbringung: Behinderung bringt oft finanzielle Einbußen, aber auch Verlust an Freiräumen mit sich: sowohl für die Betroffenen als auch für die Angehörigen. Entlastungsmöglichkeiten wie zum Beispiel Kurzzeitunterbringungsangebote müssen ausgebaut werden.
 Kultur und Freizeit: Es wurden vielfältige Projekte begonnen, damit Menschen mit Behinderungen an Kultur- und Freizeitangeboten teilnehmen können. Dies muss fortgeführt werden.
 Diskriminierung: Menschen mit Behinderungen erfahren vielfältige Diskriminierung. Sensibilisierungsmaßnahmen müssen fortgesetzt und über rechtliche Aspekte sowie Beratungs- und Unterstützungsmöglichkeiten muss besser informiert werden.
 Barrierefreiheit ist eine Voraussetzung für Inklusion. Daran ist weiter zu arbeiten.