Heidelberg barrierefrei: Menschen mit Behinderung sollen möglichst selbstständig leben können

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Philipp Rothe: Gemeinsam setzen sich der Beirat von Menschen mit Behinderungen (bmb) und die Kommunale Behindertenbeauftragte für die Belange von Menschen mit Behinderungen ein – beispielsweise mit der RNV als Partner bei der Barrierefreiheit im öffentlichen Nahverkehr. Im Bild (v. l.): Behindertenbeauftragte Christina Reiß, bmb-Mitglied Daniel Gallimore und Edward Schneider, Leiter der Abteilung Verkehrsplanung der RNV, an der neuen, barrierefreien Haltestelle Seegarten.
100-Tage-Bilanz der Behindertenbeauftragten Christina Reiß – Aktuelle Projekte des bmb

In Heidelberg sollen Menschen mit Behinderung möglichst selbstständig leben können. Dieses Ziel verfolgt die Stadt seit langem konsequent in allen Lebensbereichen. „Mit unseren Partnern werden wir in diesem Jahr an weiteren Verbesserungen arbeiten“, kündigte Oberbürgermeister Dr. Eckart Würzner bei einem Pressegespräch am 11. April 2016 im Heidelberger Rathaus an. Als Beispiel nannte er den weiteren Ausbau der Barrierefreiheit im öffentlichen Personennahverkehr. Neben dem Beirat von Menschen mit Behinderungen als bewährte Interessenvertretung hat die Stadt seit Januar 2016 mit Christina Reiß eine Kommunale Behindertenbeauftragte. „Frau Reiß hat für die Belange der Betroffenen ein offenes Ohr. Ihre Sprechstunden werden bestens angenommen. Wir erhalten dadurch wertvolle Hinweise, wo es Verbesserungsbedarf gibt“, sagte Dr. Würzner.

Die Vorsitzende des Beirats von Menschen mit Behinderungen (bmb) Dr. Reinhild Ziegler stellte bei dem Termin die aktuellen bmb-Projekte vor und sagte: „Die rund 20.000 Menschen mit Behinderung und chronischer Erkrankung in Heidelberg wünschen sich barrierefreien und bezahlbaren Wohnraum, gemeinsame Freizeit- und Kulturaktionen sowie barrierefreien Zugang zu Bussen und Bahnen sowie zu Kultureinrichtungen. Daraus ergeben sich unsere Ziele.“

Christina Reiß erläuterte ihre 100-Tage-Bilanz und bekräftigte: „Die zentralen Themen, die mich als Ombudsfrau erreichen, sind ebenfalls Mobilität und bezahlbarer barrierefreier Wohnraum. Es wurde bereits einiges auf den Weg gebracht, aber der Bedarf ist noch lange nicht gedeckt und wird durch den demographischen Wandel weiterhin steigen.“

Über 90 Prozent der Betroffenen erlangen die Behinderung erst im Laufe ihres Lebens

Inklusion geht alle an, denn eine Behinderung kann jeden treffen: Über 90 Prozent der Betroffenen erlangen die Behinderung erst im Laufe ihres Lebens. Viele Verbesserungen erleichtern außerdem nicht nur Menschen mit Handicap das Leben, sondern beispielsweise auch Senioren mit Rollatoren, Eltern mit Kinderwagen, Fahrradfahrern oder Reisenden mit Gepäck.

Für die Stadt ist es ein zentrales Anliegen, mit vielen zielgerichteten Maßnahmen allen Bürgerinnen und Bürgern ein möglichst selbstständiges Leben zu ermöglichen. Sie sollen selbstverständlich an der Gemeinschaft teilhaben können und sich zugehörig fühlen. Inklusion ist in Heidelberg ein gesamtstädtisches Thema. Die Stadt setzt sich aktiv dafür ein, dass Menschen mit Handicaps alle Lebensbereiche offen stehen, beispielweise Kindertagesstätten, Schule und Bildung, Wohnen, Arbeiten, Freizeit und Mobilität. So haben Verwaltung und Kommunalpolitik Fortschritte erzielt bei der inklusiven Beschulung, bei der Vermittlung von Menschen mit geistiger Behinderung auf den allgemeinen Arbeitsmarkt oder in Form eines Grundsatzbeschlusses des Gemeinderates zum barrierefreien Bauen in Heidelberg. Die Stadt hat dabei sowohl Menschen mit körperlichen Einschränkungen und Sinneseinschränkungen als auch Menschen mit geistiger, seelischer und mehrfacher Behinderung im Blick.
Die Verwaltung bindet zahlreiche weitere Akteure ein – Gemeinderat, Verbände, Kirchen, Vereine, Selbsthilfegruppen, die Bürgerschaft und die Betroffenen selbst. Für die Belange von Menschen mit Behinderungen setzen sich seit März 2008 der 17-köpfige Beirat von Menschen mit Behinderungen (bmb) und seit Januar 2016 als Kommunale Behindertenbeauftragte die Soziologin Christina Reiß ein. Christina Reiß arbeitet eng mit dem Beirat von Menschen mit Behinderungen zusammen. Gemeinsam beraten sie die Stadtverwaltung in Fragen der Inklusion.

Heidelberg barrierefrei: Auswahl der Projekte 2016

- Barrierefreie Mobilität: Ziel der Stadt ist es, dass sehbehinderte und mobilitätseingeschränkte Bürgerinnen und Bürger ohne fremde Hilfe jeden Ort in Heidelberg erreichen. In Absprache mit der RNV werden beispielsweise Haltestellen und Ampelbereiche kontinuierlich behindertengerecht gestaltet. Zudem fördert die Stadt die Barrierefreiheit von öffentlich zugänglichen Gebäuden.
- Stadtteilspaziergang Hasenleiser: Eine Stadtteilbegehung der Behindertenbeauftragten mit dem dortigen Quartiersmanagement unter dem Blickwinkel von Barrierefreiheit und Inklusion ist für Sommer 2016 geplant.
- Parken: 2016 sollen Kriterien abgestimmt werden, nach denen dann Behindertenparkplätze ausgewiesen werden. Zudem soll ein Leitfaden zum Vorgehen bei widerrechtlich zugeparkten Behindertenparkplätzen abgestimmt werden.
- Barrierefreies Bauen: Die Stadtverwaltung stellt Checklisten für Bauträger und Architekten bereit und erklärt Fördermöglichkeiten. Im neuen Stadtteil Bahnstadt wird beispielsweise alles barrierefrei gebaut. Sehr gut hat das beim Kino funktioniert.
- Neues Großkino: Der „Luxor Filmpalast“ in der Bahnstadt wird weitgehend barrierefrei sein – der Betreiber hat Stadt und bmb dabei eng eingebunden. Für Menschen im Rollstuhl werden mehr als 50 ausbaubare Kinosessel installiert – doppelt so viele, wie vom Gesetzgeber vorgeschrieben. Auch an Blinde, Sehbehinderte und Menschen mit einer Hörbehinderung ist gedacht. Die Bauarbeiten sind in diesem Jahr in vollem Gange. Das Kino wird voraussichtlich im Frühjahr 2017 eröffnet.
- Wohnberatung und Förderprogramm „Barrierefreie Lebenslaufwohnungen“: Die städtische Wohnberatung erläutert die Wohnmöglichkeiten und vermittelt Ansprechpartner. Mit dem Förderprogramm „Barrierefreie Lebenslaufwohnungen“ unterstützt die Stadt Baumaßnahmen, die die Selbstständigkeit erhalten, wieder herstellen oder die Pflege erleichtern können. So sollen alle möglichst lange trotz gesundheitlicher Einschränkungen in der eigenen Wohnung leben können.
- Teilhabeplanung für seelisch Behinderte: Im Jahr 2015 hat die Verwaltung eine Teilhabeplanung für Menschen mit chronischer psychischer Erkrankung und seelischer Behinderung gestartet, die bis Ende 2016 abgeschlossen sein wird. Sie soll dafür sorgen, dass die Angebote für Menschen mit diesen Behinderungen qualitativ und quantitativ so weiterentwickelt werden können, dass sie zukünftigen Anforderungen gerecht werden.
- Angebote für Menschen mit geistiger Behinderung: Mit einer Abschlussveranstaltung am 7. März 2016 hat die Stadt ihre Sozial- und Teilhabeplanung für Menschen mit geistiger und mehrfacher Behinderung zusammen mit dem Rhein-Neckar-Kreis abgeschlossen. In den kommenden Jahren sollen die erarbeiteten Handlungsempfehlungen umgesetzt und damit die Angebote für Menschen mit geistiger Behinderung weiterentwickelt werden.
- Recht auf inklusive Bildung: Aufgabe und Herausforderung für die gesamte Stadtgesellschaft und für alle Heidelberger Bildungsinstitutionen. Wie kann gemeinsamer Unterricht von behinderten und nichtbehinderten Kindern erfolgreich ermöglicht werden? In Heidelberg kümmern sich darum das regionale Bildungsbüro und das Amt für Soziales und Senioren.
- Inklusion-Atlas: Die frei zugängliche Online-Datenbank (www.heidelberg.de/inklusionsatlas) erleichtert Menschen mit körperlicher, psychischer oder geistiger Behinderung den Zugang zu inklusiven Freizeitangeboten. Wer beispielsweise eine neue Sportart ausprobieren, im Chor singen oder einfach Kontakte zu einer Freizeitgruppe knüpfen will, findet hier unkompliziert Angebote.
- Online-Stadtführer „Heidelberg hürdenlos“: Der Stadtführer (www.heidelberg.huerdenlos.de) findet bundesweite Beachtung. Er richtet sich an Menschen mit Behinderung, Senioren, Eltern mit Kinderwagen oder Reisende mit Gepäck. Die kostenlose, vom bmb initiierte Datenbank macht Angaben zur Barrierefreiheit von wichtigen Gebäuden, Sehenswürdigkeiten, Apotheken, Arztpraxen und Toiletten in Heidelberg. So gibt es beispielsweise Informationen darüber, wie breit Türen und Flure sind, in welcher Höhe sich Klingeln oder Türgriffe befinden oder Angaben über Beleuchtung, Bodenindikatoren oder spezielle Kost für Allergiker. Noch bis 15. April 2016 läuft eine Umfrage zur weiteren Verbesserung der Plattform.
- Arbeitgeberin Stadtverwaltung: Die Stadt beschäftigt zahlreiche Menschen mit Behinderungen und kann hier auf ein hohes Erfahrungspotenzial zurückgreifen. Der Gemeinderat hat zum Beispiel im Jahr 2014 eine Konzeption beschlossen, wie die Beschäftigung von Menschen mit einer geistigen Behinderung noch besser gefördert werden kann.
- Aktionsplan „Offen für Vielfalt und Chancengleichheit – Ansporn für alle“: Seit April 2014 arbeiten die Stadt und ihre Partnerinnen und Partner am Aktionsplan. Er soll die Rahmenbedingungen für gelingende Teilhabe aller am gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Leben verbessern. Zugleich soll die Stadt fit gemacht werden für die wachsende Vielfalt an Lebens- und Arbeitsformen. Der Aktionsplan soll 2016 verabschiedet werden, danach geht es in die Umsetzung von Projekten.
- Charta der Vielfalt: Heidelberg unterzeichnete im Februar 2014 die „Charta der Vielfalt“. Als Arbeitgeberin verpflichtet sich die Stadt damit, ein Arbeitsumfeld zu schaffen, das frei von Vorurteilen ist, also zur Wertschätzung aller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Unternehmens beiträgt – unabhängig von Geschlecht, Nationalität, ethnischer Herkunft, Religion oder Weltanschauung, Behinderung, Alter, sexueller Orientierung und Identität.

Kontakt bmb:
Die Geschäftsstelle des Beirats von Menschen mit Behinderungen ist am Fischmarkt 2, 69117 Heidelberg und zu erreichen per E-Mail an Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! und Telefon 06221 58-38190.
Kontakt Behindertenbeauftragte und Sprechstunden:
Die Kommunale Behindertenbeauftragte hat ihr Büro im Bürgeramt Mitte (Bergheimer Straße 69, 69115 Heidelberg), und ist zu erreichen per E-Mail an Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! und Telefon 06221 58-15590. Christina Reiß bietet monatlich Sprechstunden in wechselnden Stadtteilen an. Gesprächstermine können aber auch individuell vereinbart werden.