Pionierprojekt der Stadtgärtnerei: Ministerin Theresia Bauer informierte sich über Bio-Zertifizierung

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Philipp Rothe - Pionierprojekt der Stadtgärtnerei: Ministerin Theresia Bauer – hier mit (v.l.) Dr. Ernst Baader, Leiter des Landschafts- und Forstamtes, Bürgermeister Wolfgang Erichson und Wolfgang Morr vom Landschafts- und Forstamt – informierte sich über den Stand der Heidelberger Bio-Zertifizierung.
Die Stadtgärtnerei ist die „Kinderstube“ für zahlreiche Gewächse, die später an vielen Stellen das Heidelberger Stadtgebiet aufwerten. Seit 2013 baut der Regiebetrieb Gartenbau im städtischen Landschafts- und Forstamt Zierpflanzen an, die die Kriterien einer Zertifizierung nach der EU-Bioverordnung erfüllen können. Bis 2017 soll der gesamte Betrieb auf die biologische Produktion umgestellt sein. Nur sehr wenige Kommunen in Deutschland haben sich bislang an die biologische Zierpflanzenproduktion gewagt. Bei einem Besuch am Freitag, 29. Juli 2016, hat sich Theresia Bauer, Ministerin für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg und Landtagsabgeordnete der Grünen für den Wahlkreis Heidelberg, das Pionierprojekt vor Ort genauer angesehen.

Stellvertretend für Oberbürgermeister Dr. Eckart Würzner begleitete der zuständige Bürgermeister Wolfgang Erichson den Gast. Dr. Ernst Baader, Leiter des Landschafts- und Forstamtes, und die Fachleute der Stadtgärtnerei führten über das Gelände der Stadtgärtnerei. Sie erläuterten dabei unter anderem die Bioproduktion und die dafür notwendigen Investitionen in die Gewächshäuser. Weitere Themen waren Düngung und Pflanzenschutz, der nachhaltige Umgang mit Ressourcen und die weitere Verwendung der Zierpflanzen im Stadtgebiet. Präsentiert wurden zudem die Leistungen der Gärtnerei im Bereich Floristik – hier spielt die faire Beschaffung eine Rolle.

Ministerin Bauer: „Heidelberg hat hier eine Vorreiterrolle eingenommen“

„Wenn man durch die Stadt fährt, sieht man, dass viele Grünanlagen aufgewertet wurden, und besonders gefällt mir die Vielfalt der Blumen, die nicht nur den Menschen Freude bereitet, sondern auch für den Bestand der Bienen und Insekten wichtig ist“, sagte Ministerin Theresia Bauer und fügte hinzu: „Unsere Stadtgärtnerei ist aus ökologischer Sicht für die Zukunft gut aufgestellt. Die Bemühungen der Umstellungen in den letzten Jahren haben sich gelohnt. Es freut mich, dass Heidelberg hier eine Vorreiterrolle eingenommen hat.“

Bürgermeister Wolfgang Erichson betonte: „Die Heidelberger Stadtgärtnerei erkundet dieses weitgehend unbekannte Terrain mit sehr guten Erfolgen. Das steht einer Stadt wie Heidelberg, die sich konsequent für Klima- und Naturschutz einsetzt, gut zu Gesicht. Der Verzicht auf Pflanzenschutzmittel verbessert zudem die Arbeitsbedingungen für unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.“

Kernelemente der Umstellung auf die Bio-Produktion von Zierpflanzen
Die Stadt Heidelberg hat allein in den Jahren 2015 und 2016 jeweils 100.000 Euro in die Stadtgärtnerei, hauptsächlich in die Gewächshäuser, investiert. Neben technischen Verbesserungen haben die Fachleute zudem die Auswahl der Pflanzen und das Standortkonzept angepasst – die Kernelemente im Detail:
- Wassermanagement: Der Regen von den Dächern der Gewächshäuser wird in einem Regenwasserteich gesammelt und zur Bewässerung verwendet. Für den restlichen Wasserbedarf in bewässerungsintensiven Phasen der Pflanzenanzucht kann seit 2012 Grundwasser genutzt werden. Seitdem muss kein Trinkwasser mehr verwendet werden. Ergebnis: optimale Wasserqualität bei gleichzeitiger Kostenreduktion.
- Wärmeversorgung der Gewächshäuser: Schon im Jahr 2010 wurde die Wärmeversorgung der Gewächshäuser von Öl auf Fernwärme umgestellt.
- Energetische Sanierung der Gewächshäuser: Dauerthema für einen Gärtnereibetrieb ist neben der Wärmeversorgung der Wärmeverlust. Die Stadt hat in ein optimiertes Klimasteuerungssystem investiert. Unter den Glasdächern angebrachte, sogenannte Energieschirme mindern die Wärmeabstrahlung der Dachflächen bedeutend. Die Wände werden im Winter teils mit Folie zusätzlich wärmeisoliert. Der poröse, undichte Kitt der Dachscheiben wurde gegen Gummidichtungen ausgetauscht. Die Gewächshäuser sind zudem mit neuen Heizungsrohren und Lüftern ausgestattet.
- Substrate und Dünger im Gewächshaus: In Heidelberg werden ein Bio-Pflanzsubstrat und ausschließlich Biodünger verwendet. Der Erde der Großkübel wird Schafwolle aus Spechbach zugesetzt, die die Erde lockert und zudem ein guter Langzeitdünger ist.
- Kultivierung nachhaltiger Pflanzen: Verwendung von möglichst vielen einheimischen Pflanzenarten oder Pflanzenarten, die sich schon seit langer Zeit im Kulturpflanzenbau in Deutschland bewährt haben, um so Nahrungsgrundlage für Bienen und andere Insekten zu liefern.
- Eingeschränktes Pflanzensortiment: Beschränkung auf ein Sortiment von 15 Pflanzenarten für die Wechselflorflächen, so dass die ausgewählten Anlagen wirtschaftlich günstig und doch ausreichend mit Pflanzen versorgt werden können.
- Verzicht auf bestimmte Pflanzen: Verzicht auf Sorten mit hohem Wärmebedarf. So werden beispielsweise seit Jahren keine Weihnachtssterne mehr produziert.
- Mehr Blumenwiesen: Seit 2011 Umbau ehemaliger Pflanzbeete, Staudenflächen, teils auch Rasenflächen und versiegelter Bereiche zu nachhaltigen Blumenwiesen. Aussaat von Blumenwiesen-Saatmischungen entlang von Straßen und Verkehrswegen. Durch eigene Aussamung sollen sich die Wiesen über mehrere Jahre selbst erhalten und dadurch aufwändige jährliche Neuanlagen möglichst verhindert werden.
- Einsatz von Nützlingen: Die Stadtgärtnerei setzt regelmäßig biologische Präparate zur Stärkung des Pflanzenwachstums und zur Vorbeugung gegen Verpilzung ein. Die Pflanztische werden mit Emulsionen desinfiziert, die in großen Mengen pflanzenunschädliche Bakterien und Pilze enthalten. Einsatz von Nützlingen wie Schlupfwespen, Marienkäfer oder Florfliegen gegen blattfressende Raupen und Blattläuse.

Die Stadtgärtnerei im Überblick
Der Regiebetrieb Gartenbau des Landschafts- und Forstamtes bewirtschaftet im Stadtgebiet rund 230 Hektar Grünanlagen, davon sind etwa 15.000 Quadratmeter Blumenbeete und Wechselflorflächen. Dazu kommt das „mobile Stadtgrün“, Blumenkübel und -pyramiden. In der Stadtgärtnerei werden für diese Zwecke Blütenpflanzen für eine Frühjahrs-, Sommer- und Winterbepflanzung herangezogen. Nicht winterharte Pflanzen wie Palmen überwintern in den Gewächshäusern. Die Gärtnerinnen und Gärtner kümmern sich außerdem um Pflanztöpfe und Blumengebinde für den städtischen Bedarf, beispielsweise als Dekoration für Empfänge oder Eingangsbereiche öffentlicher Gebäude. Der Anteil biologisch produzierter Pflanzen liegt mittlerweile bei nahezu 100 Prozent.
- Fläche unter Glas: 3450 Quadratmeter
- Freilandflächen: 1450 Quadratmeter
- Produktionszahl Frühjahrs- und Sommerflor: 55.000 Pflanzen
- Produktionszahl Herbst- und Winterflor: 60.000 Pflanzen