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Gedenken an NS-Opfer von Zwangssterilisation

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Stadt Mannheim

Mahnmalswanderung: 

Das Mannheimer Mahnmal für die Opfer von Zwangssterilisation während des Nationalsozialismus steht zwischen den Quadraten R1 und S1 und „wandert“ jedes Jahr an einen anderen Ort. In diesem Jahr „wandert“ es, ohne sich von der Stelle zu bewegen: Sein Standort bleibt für ein weiteres Jahr am jetzigen Platz, lediglich die Verantwortung für das Mahnmal geht vom Gesundheitsamt in die Hand des Jugendamts über.

Das Jugendamt steht damit sinnbildlich für all jene städtischen Ämter, die in der Zeit des Nationalsozialismus denunzierten, Gutachten erstellten, urteilten, und so dem Verbrechen der Unfruchtbarmachung gegen den Willen der Betroffenen Vorschub leisteten. Blindheit, Schizophrenie, Taubheit, Epilepsie, Homosexualität oder sogenannter Schwachsinn waren nur einige der vorgeblich wissenschaftlichen Diagnosen, die zu einer Sterilisation führen konnten.

„Die aktive Auseinandersetzung mit den Gräueltaten des NS-Regimes, das Erinnern und Gedenken ist ein unverzichtbarer Bestandteil unserer Erinnerungskultur und muss dies auch bleiben“, betonte Bildungsbürgermeistern Dr. Ulrike Freundlieb anlässlich des Gedenktages. In der Vergangenheit sei die Ausgrenzung von Andersdenkenden, Schwächeren und Kranken sowie Menschen, die wegen ihres Lebensstils, ihrer sexuellen Orientierung oder Religion verfolgt wurden, – beginnend mit medizinischen Experimenten über Zwangssterilisierungen bis hin zum Tod - staatlich verordnet systematisch umgesetzt worden. Umso wichtiger sei es, gerade auch in der heutigen Zeit wachsam zu bleiben und „die Werte unserer pluralistischen, demokratischen, toleranten und offenen Gesellschaft mutig zu verteidigen und in der nächsten Generation nachhaltig zu verankern“, unterstrich Freundlieb.

Das Mahnmal gibt es seit 2013. Es „wandert“ alljährlich an einen neuen Standort an einer der an diesen Sterilisationen beteiligten Institutionen oder Ämter. Das Amtsgericht, das Klinikum und das Diakonissenkrankenhaus waren schon Station des vom Künstler Michael Volkmer gestalteten Mahnmals.

Betreuung durch Schüler
Schulen betreuen es an seinem jeweiligen Standort. Diese setzen sich auf sehr vielfältige Weise mit dem Thema auseinander. So haben Schüler der Gothein-Schule Aktionen am Mahnmal gestaltet. Sie wiesen darauf hin, dass es dem Staat nicht erlaubt sein sollte, Menschen die Gründung einer Familie gewaltsam zu verwehren. An der Max-Hachenburg-Schule entstand eine Webseite mit Filmen und podcasts. (www.mahnmal-ns-zwangssterilisation-mannheim.de)

Nun hat das Jugendamt die Verantwortung für das Mahnmal übernehmen. Die Schüler der Gotheim- und Hachenburg-Schule übergaben symbolisch die einzelnen Bausteine des Mahnmals an die Tulla-Realschule und das Karl-Friedrich-Gymnasium, die nun eine Patenschaft eingehen.

Diese Übernahme der Verantwortung durch Jugendliche sei besonders wichtig, betonte die Bildungsbürgermeisterin. „Wir müssen aus unserer Vergangenheit lernen, um unsere Zukunft zu gestalten. Um die Werte, die unsere tolerante, weltoffene, rechtstaatliche und demokratische Gesellschaft ausmachen, auch nachhaltig in der Zukunft zu verankern, brauchen wir die Jugend von heute“, hob Freundlieb hervor. Sie dankte den Schülern, die auch gegen Widerstände und verbale Angriffe das Mahnmal ein Jahr lang gepflegt und in Obhut genommen hatten. „In einer Zeit, in der Bundestagsabgeordnete einer Holocaust-Überlebenden den Applaus verweigern, in der ein baden-württembergischer Landtagsabgeordneter Stolpersteine als ‚Erinnerungsdiktatur‘ verschmäht und das Holocaust-Mahnmal in Berlin als ‚Denkmal der Schande‘ verunglimpft wird, sind Gedenkveranstaltungen wie diese wichtiger denn je“, bekräftigte die Bürgermeisterin.

Der Künstler erläuterte die Konzeption des Mahnmals: Bei der Ausschreibung seien etwa 1000 Opfer von Zwangssterilisationen in Mannheim bekannt gewesen. Daher habe er sich entschlossen, 1000 einzelne Würfel zu einem Ganzen zusammenzusetzen. Die abgerundeten Ecken, verdeutlichten das von den Nationalsozialisten gewünschte Bild ihrer Bürger – „ohne Ecken und Kanten“, führte Vokmer aus. Die elfenbeinfarbene Gestaltung erinnere an eine Porzellanschüssel, in der sich Richter die Hände in Unschuld wuschen, die einzelnen zusammengesetzten Würfel weckten Assoziationen an eine Zellteilung – die als Sinnbild entstehenden Lebens den Opfern von Zwangssterilisationen verwehrt wurde.

Vor der offiziellen Übergabe des Mahnmals fand eine Veranstaltung an der Abendakademie statt, bei der unter anderem die szenische Lesung „die Unfruchtbarmacher“ zu sehen und hören war. Diese hat der Arbeitskreis Justiz und Geschichte des Nationalsozialismus in Mannheim aus Originaldokumenten des Erbgesundheitsgerichts Mannheim zusammengestellt. Die Regisseurin Eva Martin-Schneider setzte sie in Szene. Die beteiligten Schulen präsentierten ihre Arbeiten zum Thema.