Ein Zeichen für Toleranz und Menschenrechte Verleihung des Hildegard-Lagrenne-Preises 2018

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Stadt Mannheim

Mit dem Hildegard-Lagrenne-Preis würdigt die Stadt Mannheim gemeinsam mit dem Landesverband Sinti und Roma seit dem Jahr 2012 engagierte Persönlichkeiten, die sich vorbildhaft für Toleranz, Menschenrechte und Bildungsgerechtigkeit in Mannheim und der Metropolregion Rhein-Neckar einsetzen. In diesem Jahr wurde der Preis an Ilona Lagrene verliehen, die nicht verwandt mit der Namensgeberin des Preises ist.

„Mit dieser Auszeichnung wollen wir nachhaltige Anerkennungs- und Teilhabestrukturen für die Minderheit der Sinti und Roma in der Gesellschaft schaffen, um Diskriminierungserfahrungen zu minimieren und gelingende Bildungsprozesse zu gestalten. Der Hildegard-Lagrenne Preis ist ein Zeichen, um zur Bekämpfung des Antiziganismus beizutragen“, betonte Bildungsbürgermeisterin Dr. Ulrike Freundlieb in ihrer Würdigung der Preisträgerin, der sie Pokal und Urkunde verlieh. Lagrene engagiert sich seit über 40 Jahren gegen Diskriminierung und für Menschenrechte. Frauenrechte und Antiziganismus sind Schwerpunkte ihres Wirkens.

„Gerade in der heutigen Zeit ist es dringend erforderlich, dass wir uns als Zivilgesellschaft entschieden gegen jede Form der Diskriminierung stellen. Vom Alltagsrassismus bis zu Fällen konkreter rassistischer Gewalt ist es oft nur ein kurzer Weg“, bekräftigte Freundlieb gerade vor dem Hintergrund der aktuellen Ereignisse in Chemnitz. „Rassismus darf in unserer Stadt keinen Platz haben! Mannheim definiert sich als Stadt der Vielfalt – weltoffen, tolerant, respektvoll im Umgang und integrativ. Deshalb bin ich sehr froh, dass wir mit dem Hildegard-Lagrenne-Preis ein unübersehbares Zeichen setzen – umso mehr in einer Zeit, in der Hetzer und Populisten wieder Auftrieb bekommen und versuchen, die Gesellschaft zu spalten“, appellierte die Bürgermeisterin an jeden Einzelnen, die Stimme gegen Rassismus und Diskriminierung zu erheben.

Daniel Strauß, Vorsitzender des Landesverbands Deutscher Sinti und Roma Baden-Württemberg, begrüßte die Gäste in Romanes, der Sprache der Sinit und Roma, und freute sich, dass mit Ilona Lagrene ein würdige Preisträgerin im Sinne Hildegard Lagrennes gefunden wurde.

 

"Was damals geschehen ist, darf sich in diesem Land nie mehr wiederholen!“

Ilona Lagrene erinnerte in ihrer Dankesrede an die Anfänge der Bürgerrechtsbewegung in der Nachkriegszeit, die in dieser Zeit alles andere als selbstverständlich gewesen seien. Mit Blick auf den Völkermord im Nationalsozialismus und aktuelle politische Bewegung mahnte die Preisträgerin: „Es gab zwei Minderheiten, die vom Kleinkind bis zum Greis aus rassischen Gründen ermordet wurden. Das waren die Juden und die Sinti und Roma. Was damals geschehen ist, darf sich in diesem Land nie mehr wiederholen!“.

Die Verleihung des Hildegard-Lagrenne-Preis soll dazu beitragen, auf die besondere Diskriminierungserfahrung und Bildungssituation der Sinti und Roma hinzuweisen. Er ist mit einem Preisgeld von 5.000 Euro verbunden und würdigt neben dem Preisträger auch das Engagement und Lebenswerk der Namensgeberin Hildegard Lagrenne. Als Überlebende des Völkermords an den Sinti und Roma zur Zeit des Nationalsozialismus lebte sie seit1951 bis zu ihrem Tod 2007 gemeinsam mit ihrer Familie in Mannheim und formierte im Nachkriegsdeutschland die erste Bürgerrechtsbewegung der deutschen Sinti und Roma, die sie prägte.

„Die Preisträgerin Ilona Lagrene, geboren in Heidelberg, lebt seit 1972 in Mannheim. Ihre Kindheit war geprägt von den Nachwirkungen der Gräueltaten des NS-Regimes: Eltern, Geschwister, Großeltern ihrer Familie und auch der ihres späteren Mannes Reinhold Lagrene wurden von den Nazis deportiert und teilweise zwangssterilisiert, viele von ihnen im Konzentrationslager Auschwitz umgebracht. Alle Kinder haben mit ihren traumatisierten Eltern gelitten“, berichtete Freundlieb aus der Vita der Preisträgerin. Rassismus habe diese in vielfältiger Form auch im ganz persönlichen familiären Umfeld erlebt.

Ein Auslöser für Lagrenes Engagement in der Menschenrechtsarbeit sei gewesen, dass der Sinto Anton Lehman in Heidelberg getötet wurde, erläuterte Freundlieb. Fortan organisierte Lagrene Gespräche, Demonstrationen und weitere Aktivitäten für die Menschenrechtsarbeit. 1986 wurden sie Gründungsmitglied des Verbands Deutscher Sinti und Roma, Landesverband Baden-Württemberg und war von 1989 bis 1994 dessen Vorsitzende. Auf ihre Initiative ging die Errichtung des Denkmals in E5 für die während des NS-Regimes ermordeten Mannheimer Sinti und Roma zurück sowie das Sammeln von Zeitzeugeninterviews, die in einem Buch veröffentlicht wurden. Gemeinsam mit Hildegard Lagrenne besuchte sie ab Ende der 90 Jahre hunderte von Schulen in Baden Württemberg und schaffte so erstmals eine authentische Begegnung zwischen Minderheit und Mehrheit.

„Der Gemeinderat der Stadt Mannheim hat am 26. Juni 2018 beschlossen, Ilona Lagrene den Hildegard-Lagrenne-Preis 2018, Preis für Toleranz und Bildungsgerechtigkeit der Stadt Mannheim, zu verleihen. Durch ihr breites, öffentliches Wirken ist sie Vorbild für Toleranz und Bildungsgerechtigkeit in Mannheim und darüber hinaus“, bescheinigt ihr der Text der von Oberbürgermeister Dr. Peter Kurz unterzeichneten Urkunde.

Musikalisch wurde die Feier von Jerome Weiss (Piano) und Sunny Franz (Violine) umrahmt.