Antwort auf Offenen Brief_Causa Sarotti

Sarotti komplett
capitol Mannheim

Dem Capitol liegt der offene Brief in einer Version vor, der am 17. April 2019 mit der Aufforderung der Unterzeichnung versendet wurde.
Diese Version wurde von Ruhan Karakul, die in sämtliche Prozesse und Abläufe bis zur Entscheidung involviert war, versendet. Das ist insofern wichtig, weil der offene Brief Kommentierungen enthält, die nur von jemand vorgenommen werden kann, der diesem Kreis angehörte.
Außerdem wird in dieser Version aufgeführt, dass das Mitglied des Bundestages Dr. Karamba Diaby den Brief unterzeichnet habe. Nach Rücksprache mit ihm ist festzuhalten, dass er keine Zustimmung zur Unterschrift des Briefes gegeben und dies Frau Karakul deutlich gemacht hat. Er steht jetzt auch nicht mehr als Unterzeichner unter der aktuellen Version.
Die Rücknahme der Unterschrift der Bundestagsabgeordneten Gökay Akbulut, die vor der Veröffentlichung des offenen Briefes die Initiative Schwarzer Menschen aufgefordert hat, sie nicht mehr als Unterzeichnerin zu führen, ist nicht erfolgt. Gökay Akbulut hat dies in einer Pressemeldung mittlerweile klargestellt.

Zum Inhalt des offenen Briefes
In dem offenen Brief wird uns vorgeworfen, wir würden die Sarotti Werbefigur „in einer möglicherweise karnevalesk verzerrten Version“ im Capitol hängen lassen. Dies trifft nicht zu. Wir haben vor wenigen Tagen ein erstes Gespräch mit einer Illustratorin und einem Grafiker geführt. Beide müssen sich aufgrund ihrer Hautfarbe und ihrer Herkunft mit Diskriminierung auseinandersetzen. Für uns sind das wichtige Partner mit der nötigen Sensibilität.
Es geht uns nicht darum, wie in dem offenen Brief behauptet wird, „die Perspektiven von Deutschen mit Migrationsgeschichte, Menschen of Colour, Schwarze Menschen und Menschen mit Fluchterfahrungen“ zu verzerren, unsichtbar zu machen oder zu instrumentalisieren. Das genaue Gegenteil ist der Fall: durch das Hängenlassen mit einer entsprechenden Kommentierung – wir haben es „Veränderung in der Haltung“ genannt – wollen wir ja darauf hinweisen, dass in unserer Gesellschaft die Themen Rassismus und Diskriminierung, aber auch Flucht und Migration aufgearbeitet werden müssen. Gerade wir haben im Rahmen der Sarotti Diskussion erlebt, wie verächtlich und belanglos manche Menschen damit umgehen. Genau mit diesen Menschen, die sich in unserer Gesellschaft und damit auch im Capitol finden, wollen wir ins Gespräch kommen und dauerhaft im Gespräch bleiben.
Mir persönlich wird vorgeworfen, ich hätte Hinweise, Anregungen oder Kritik der Initiative Schwarzer Menschen ignoriert und das Thema Rassismus methodisch und inhaltlich kontraproduktiv behandelt. Die Expertenrunde war in alle Schritte intensiv eingebunden, während des Prozesses wurde von keiner Seite diese Kritik geäußert. Herr Della als Bundesvorsitzender der Initiative Schwarzer Menschen in Deutschland war am ersten runden Tisch beteiligt. Dort haben wir den weiteren Prozess gemeinsam beschrieben, aber auch die Möglichkeiten des Abhängens oder Hängenlassens offen diskutiert. Spätere Hinweise gab es von Herrn Della nicht. Und natürlich haben wir im Laufe des Prozesses, der im Übrigen in allen Punkten auf der Capitol Homepage dargestellt wurde, mit zahlreichen Menschen gesprochen, die selbst unmittelbar aufgrund ihrer Hautfarbe oder Herkunft von Rassismus betroffen sind. Die große Mehrheit hat sich für das Hängenlassen und mit den Menschen ins Gespräch kommen ausgesprochen. Auch das haben wir in unserer Entscheidung zu berücksichtigen.
Weiter wird in dem Brief kritisiert, dass Expert*innen erst im Nachgang und auf Druck angefragt wurden. Auch das entspricht nicht der Tatsache, es gab keinen Druck sondern stets ein konstruktives Miteinander.
Im Brief wird weiterhin kritisiert, dass das Antidiskriminierungsbüro lediglich beim runden Tisch einbezogen gewesen wäre. Auch das ist unzutreffend, da Frau Koch vom ADB am 19. Februar 2019 den Prozess bei unserer öffentlichen Diskussionsveranstaltung zusammengefasst und eine eigene Empfehlung ausgesprochen hat. Die Zuladung zu der letzten Diskussion mit der Expertenrunde war ein Angebot, das ich auf Wunsch von Gerhard Fontagnier ausgesprochen habe. Der Termin konnte mit Ruhan Karakul, Herrn Prof. Nieß und Gerhard Fontagnier nur kurzfristig vereinbart werden, Frau Koch hatte leider keine Zeit. Uns jetzt daraus den Vorwurf zu formulieren, wir hätten das ADB erst spät hinzugezogen, ist unredlich.
Mir wird vorgeworfen, ich hätte mich zu keinem Zeitpunkt deutlich positioniert. Diese Behauptung ist falsch. Bereits im ersten Statement vom 15. Oktober 2018 habe ich deutlich gemacht, dass die Werbeanlage dazu geeignet ist, Menschen zu verletzen und wir die Hinweise auf rassistische Darstellungen ernst nehmen. „Im Capitol ist kein Platz für Rassismus, Hetze und Hass“ ist ein Zitat aus dem Statement, das eindeutiger nicht sein kann.
Ich habe weder Frau Yeboah noch Herrn Dr. Halua Pinto de Magalhaes auf ihre Betroffenheit reduziert, im Gegenteil: Jennifer Yeboah habe ich bei „Tee mit T.“ am 10. Februar 2019 nicht nur nach ihren eigenen Erfahrungen befragt, sondern mit ihr als Quartiermanagerin und Sozialarbeiterin den Umgang mit Rassismus in diesem Kontext besprochen. Bei der Veranstaltung vom 19. Februar 2019 hat Herr Dr. Halua Pinto de Magalhaes einen viel beachteten Fachvortrag als Experte gehalten. An keiner Stelle wurde ihm ausschließlich die Betroffenenrolle zugeschrieben.
Herrn Prof. Nieß wurde nicht, wie behauptet, „eine gewichtige Rolle gegeben“, er hat lediglich den Kontext zwischen dem Erschaffer der Werbefigur und der Ausgestaltung der Sarotti Marke der kunsthistorischen Dimension gegenübergestellt und auch ausführlich erklärt, warum er diesen Ansatz gewählt hat. Ihm dies als „menschenrechtlich kritikwürdige Ansichten“ zu unterstellen entbehrt jeder Grundlage.

Persönliche Einschätzung
Zunächst ist es mir ein Bedürfnis festzuhalten, dass wir ein gemeinsames Ziel haben, nämlich Rassismus und Diskriminierung aufzudecken und für eine offene und tolerante Gesellschaft zu kämpfen. Das hat das Capitol mehrfach in Stellungnahmen und durch unsere Aktionswoche, bei der sich mehr als 700 Menschen über dieses wichtige Thema ausgetauscht haben, verdeutlicht.
Natürlich steht es allen offen, die von uns festgelegte Vorgehensweise zu kritisieren, sie als falsch zu verurteilen. Mir aber zu unterstellen, ich würde nicht ausreichend genug Position gegen Rassismus und Diskriminierung beziehen, ist nicht nur falsch sondern lässt auch meine politisches, gesellschaftliches und berufliches Engagement völlig außer Acht.
Wir alle müssen uns für eine Gesellschaft ohne Rassismus einsetzen. Letztlich ist es dem gesamten Prozess nicht dienlich, wenn wir dieses Ziel nicht gemeinsam verfolgen. Wir wollen sehr gerne das beitragen, was wir in unseren Möglichkeiten beitragen können. Unser Beteiligungsprozess, der das Ziel verfolgt, Veränderungen in der Gesellschaft herbeizuführen, verstehe ich als eine Möglichkeit, Haltung zu und einen Umgang mit Rassismus und Diskriminierung zu finden. Die Werbeanlage aus der Öffentlichkeit zu verbannen heißt, uns die Möglichkeit zu nehmen, an diesem Ziel zu arbeiten. Nach den zahlreichen Debatten, persönlichen Gesprächen und Korrespondenzen habe ich jedoch den Eindruck gewonnen, dass diese Debatte und diese Auseinandersetzung notwendiger denn je ist.
Bei allem Verständnis für unterschiedliche Positionen, bei allem Verständnis für Menschen, die unter Rassismus zu leiden haben – es muss Schluss sein diejenigen anzugreifen, die die gleichen Ziele verfolgen.
Ich lade deshalb alle ein, gemeinsam gegen Rassismus und Diskriminierung zu kämpfen und die Energie in dieser für die Bewahrung unserer Demokratie so wichtigen Auseinandersetzung auf diejenigen zu richten, die eine Abschaffung unserer freien und pluralistischen Gesellschaft anstreben. Nicht zuletzt die Ergebnisse der gestrigen EU Wahlen zeigen, dass wir an einem Strang ziehen müssen und uns nicht spalten lassen sollten.

Thorsten Riehle
Geschäftsführer Capitol Betriebs GmbH & Vorstand Capitol Stiftung