Covid-19-Pandemie: Medienkonsum bei 70 Prozent der Befragten während des Lockdowns gestiegen

ziMannheim

Mannheim, 02.12.2020 – Kochen, lesen, surfen, gamen – während des Lockdowns im Frühjahr wurden die Tage und Abende zuhause lang. Kein Wunder, dass die Dauer des Konsums von Onlinemedien in April und Mai bei den meisten Menschen zugenommen hat, wie eine Onlinebefragung ergab. Doch ist damit auch die Anzahl der Mediensüchtigen gestiegen? Und wie hat sich der Konsum von Alkohol und Zigaretten nach dem Lockdown weiterentwickelt? Diese Fragen soll nun eine zweite Online-Befragung klären.

Als im Frühjahr der landesweite Lockdown das öffentliche Leben lahmlegte, fürchtete nicht nur die Weltgesundheitsorganisation (WHO) eine Zunahme beim Alkoholkonsum und anderen Süchten. Wie sich der Lockdown auf den Konsum von Alkohol und Zigaretten sowie auf Verhaltenssüchte wie Medienkonsum und Kaufverhalten auswirkte, dieser Frage ging eine Onlinebefragung nach, die im April und Mai 2020 durchgeführt wurde.
Die Onlinebefragung der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Universitätsklinik der Paracelsus Medizinischen Privatuniversität, Klinikum Nürnberg unter Leitung von Prof. Dr. med. Thomas Hillemacher und der Klinik für Abhängiges Verhalten und Suchtmedizin am Zentralinstitut für Seelische Gesundheit (ZI) in Mannheim unter Leitung von Prof. Dr. Falk Kiefer zeigte bereits einen erhöhten Tabak- und Alkoholkonsum in dieser Zeit*.

Konsum von Onlinemedien bei 70 Prozent der Befragten gestiegen
Inzwischen liegt auch die Auswertung zum Medienkonsum vor**. Das Ergebnis ist deutlich. Nach Selbstauskunft stieg bei 70 Prozent der Befragten der Konsum von Onlinemedien während des Lockdowns. Während bei den Männern vor allem die Nutzung von Gaming- und Erotikplattformen signifikant zunahm, verbrachten Frauen mehr Zeit mit Social Media, Internetrecherchen und Videostreaming. Bei den über 55-Jährigen nahm der Medienkonsum dagegen kaum zu. 3.245 Menschen zwischen 18 und 80 Jahren nahmen an der nicht-repräsentativen Befragung teil.

Für die ForscherInnen ist der steigende Medienkonsum eine logische Folge der sozialen Isolation der Menschen. „Die Menschen hatten während des Lockdowns einfach mehr Zeit dafür. Außerdem half ihnen der Medienkonsum über Ängste, Verunsicherungen und das Gefühl der Einsamkeit hinweg“, betont Prof. Hillemacher. Gerade bei den Menschen, die sich durch die Ausgangsbeschränkungen besonders gestresst fühlten, nahm der Medienkonsum zu. „Doch hinter dem gestiegenen Medienkonsum können sich auch psychische Probleme verbergen, die mit dem Ende des Lockdowns nicht einfach wieder verschwunden sind“, sagt er.

Steigt mit dem Medienkonsum auch das Risiko einer Mediensucht?
„Es ist aus unserer Sicht daher wichtig, dass sich alle im Gesundheitswesen Tätigen dessen bewusst sind und Patienten bereits bei den ersten Anzeichen eines übermäßigen Medienkonsums an Hilfsangebote weitervermitteln“, sagt Prof. Kiefer. Vor allem bei jüngeren Menschen sollte man wachsam sein, da der Medienkonsum in dieser Altersgruppe besonders zugenommen hat. Im Vergleich dazu sind ältere TeilnehmerInnen der Studie davon merklich weniger betroffen.

Neue Online-Befragung gestartet
Doch ist durch den vermehrten Medienkonsum das Risiko einer Mediensucht tatsächlich gestiegen? Oder konnten die Menschen ihren Medienkonsum nach dem Lockdown wieder herunterfahren? Und wie entwickelte sich der Alkohol- und Zigarettenkonsum nach dem Lockdown weiter? „Auf diese Fragen gibt die Online-Befragung vom Frühjahr leider keine Antwort“, sagen Prof. Hillemacher und Prof. Kiefer. Um das Suchtrisiko in Folge einer so starken sozialen Isolierung beurteilen zu können, bedarf es einer Studie, die ein größeres Zeitfenster umfasst. Daher haben das ZI und das Klinikum Nürnberg eine weitere Onlinebefragung gestartet.

Während die erste Befragung Angaben nach dem Konsum von Alkohol, Zigaretten und stoffungebundenen Süchten wie Medien- oder Kaufsucht in den Wochen während des Lockdowns erfragte, hat die nun folgende Studie die Veränderungen im gesamten Zeitraum seit Beginn der Pandemie im Blick. Durch gezielte Fragen sollen auch Veränderungen, die auf eine Suchtgefährdung hinweisen, erfasst werden.