Roland Hartung zum 85. Geburtstag am 13.4.

RolHart
Wolf Goldschmitt
 

Mannheim. Einige nennen ihn starrköpfig, andere unbequem oder widerspenstig. Roland Hartung zuckt die Schultern. "Losse redde", sagt der heute 85jährige. Und lässt sein Lebenswerk für sich sprechen. Wie nur wenige hat er Mannheim geprägt und vorwärts gebracht. Der Politiker und Manager wird heute 85 Jahre alt.
Beharrlich, gelegentlich beratungsspröde, mit erfrischendem Humor und Schlagfertigkeit, stets aber auf ureigene Kurpfälzer Art, hat Hartung längst seinen Platz in der Stadtgeschichte gefunden. Frank Sinatras Song "My Way" könnte eigens für den bekennenden Kurpfälzer aus Käfertal geschrieben sein. Als Spross einer Familie, die von der Landwirtschaft lebt, engagiert er sich schon früh der CDU für das Gemeinwohl. Aber die Devise "Kreißsaal, Hörsaal, Plenarsaal" - ein Weg, den heute Jungpolitiker bevorzugt wählen - bleibt ihm fremd. Vielleicht gerade deshalb liegt eine spannende, skandalfreie Karriere vor ihm.

In welche Ämter man ihn beruft - niemals verliert er die Bodenhaftung und sein Naturell. Der Jazzfan studiert Jura und wird selbständiger Rechtsanwalt mit einem Dauerfaible für Kommunalpolitik. Auf diesem Feld genießt der Christdemokrat eine Popularität, um die ihn die meisten politischen Kontrahenten lebenslang beneiden. Traditionell heimst er jedes Mal das mit Abstand beste Stimmenergebnis aller Kandidaten für das Stadtparlament ein. Über ein Dutzend Jahre prägt Hartung eloquent als Fraktionsvorsitzender der "Schwarzen" in einer damals "roten" Hochburg das Gesicht der Konservativen. 1972, 1980 und 1983 kandidiert er als Oberbürgermeister. Und fast schafft er einmal sogar den Sprung an die Rathausspitze, doch ein Stimmungstief, ausgelöst von unpopulären Beschlüssen der Bundespartei, kostet ihn auf den letzten Metern den Sieg.
Rückblickend erweist sich das Scheitern als Glück für die Stadt. Sogar mit Unterstützung der Gewerkschaft wechselt der CDU-Mann als Vorstandsvorsitzender zur städtischen MVV und lenkt dort 15 Jahre die Geschicke des Energiekonzerns. In dieser Phase formt Hartung mit Mut zum Risiko und Weitblick ein träges Stadtwerk zu einer börsennotierten Firmengruppe um. "Diese Gestaltungsmöglichkeiten haben mir als Kommunalpolitiker leider gefehlt", so sein Resümee. Bis heute profitiert die Stadtkasse von seinen vorausschauenden, unternehmerischen Entscheidungen, die damals heftig kritisiert werden.
Der Ehrenring, die zweithöchste Auszeichnung der Kommune, ist 2010 das Mindeste, was die Stadt Roland Hartung für seine Arbeitsleistung verleihen kann. Im Unruhestand legt er später sogar noch eine Schippe drauf. Als Verwaltungsratsvorsitzender der Abendakademie drückt er dem Neubau in U 1 seinen Stempel auf - gegen heftige Widerstände dem Rathaus. Hartung mahnt als Vorsitzender der Adolf-Delp-Gesellschaft, aus der Geschichte zu lernen. Und er geht mit dem Klingelbeutel herum, wenn es gilt, für das Hospiz der Caritas zu sammeln. Ein Muss, das in Windeseile ausverkauft ist, bleibt seit über 40 Jahren seine legendäre Fasnachtsmatinee im Rosengarten.
Eigentlich hatte sich der zweifache Großvater längst von der politischen Bühne zurückgezogen und stirnrunzelnd den Niedergang der lokalen Union aus der Fern beobachtet. Doch der Skandal um den Bundestagabgeordneten Nikolas Löbel und die drohenden Folgen für seine Heimatstadt bringen ihn noch einmal auf die Barrikaden. Mit ehemaligen Galionsfiguren der Kommunalpolitik schreibt er einen Offenen Brief an die Parteispitze und redet Tacheles. Hartung verlangt die Offenlegung der örtlichen CDU-Finanzen, weil er Gemauschel befürchtet. "Die Wahrheit muss auf den Tisch", lautet schon immer sein Leitprizip. Der Jubilar wird gerade deswegen wohl immer ein unbequemer Zeitgenosse bleiben.

Wolf H. Goldschmitt