Zwischen Politik, Kampfgeist, kritischer Selbstreflexion und schicksalhafter Demut

IlyaDres. Ilya Zarrouk spricht zu seinem 42. Geburtstag über sein Bild als Gehandicapter in der Berufswelt und in der Politik

Steven Hawkins, welcher auch der Namensgeber einer Schule in Heidelberg- Neckargemünd ist, hat einmal vor seinem Ableben gesagt, „wenn ich die Sterne bei aller Voraussicht nach nicht erreichen kann, werde ich trotzdem nicht aufgeben sie zu erreichen und wenn es das Letzte ist was ich tue.“ Er hat sie nie erreicht, aber er hat viel mehr erreicht als dass neben seinen Nobelpreisen, er hat vielen Gehandicapten das Gefühl gegeben etwas Wert zu sein und zu kämpfen, für sich, für Gleichgesinnte, gegen Ignoranz und für die Inklusion. Ich denke, dass es das ist was auch mich in anderer Form schon als Kind getragen hat, mit meinem angeborenen Gehhandicap umzugehen, nämlich zu kämpfen. Vielleicht habe ich mich auch deshalb sehr früh auf Militärwissenschaften, Verteidigungspolitik, Militärgeschichte, Militärpolitik, Innenpolitik spezialisiert, weil mich in den einzelnen Phasen der Kriegsgeschichte auch der unbändige Widerstandswille einzelner Nationen und ihrer Heerführer fasziniert hat. Gerade die Befreiungskriege 1810-15 und die folgenden geschichtlichen Ereignisse bis zum 03. Oktober 1990 haben mich deshalb historisch und politisch immer magnetisiert, weil diese in der Tat eine Befreiung waren, sie die lang ersehnte Lösung der Deutschen Dauerfrage mit dem 2plus4 Vertrag, den im Übrigen Dr. Wolfgang Schäuble unterschrieb, von Diktatur, Unterdrückung und Zersplitterung, in Einigkeit und Recht und Freiheit nicht nur für Deutschland, sondern für Europa, dass was auf dem Schlachtfeld bei Leipzig 1813 geistig erdacht wurde, die Einheit der Nationen in Freiheit und in einer gewissen Rechtsstaatlichkeit, die aber nie wirklich ihren Eingang fand, bekam ihren Glanz nach vielen Schlachten und Revolutionen am 03. Oktober 1990 ihre Vollendung. Diejenigen die zu Beginn des 19. Jahrhunderts aus dem Niedergang des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation, spätestens mit der Vernichtung der preußischen Armee im thüringischen Jena und Auerstedt 1806 eine Katastrophe sahen wurden jedoch ziemlich rasch widerlegt, durch Leute wie v. Stein, Hardenberg, Humboldt, Scharnhorst, sie sahen in der Niederlage Hoffnung. Hieraus habe ich eines gelernt, sei eine Niederlage auch noch so schwer, möglicherweise katastrophal, eigentlich hoffnungslos, so muss man dennoch gewillt sein aufzustehen und zu kämpfen, wie jene Reformer des Jahres 1806, und jene der Stunde Null 1945/46, und jene des 13. August 1961. Sie alle haben eine Sache gemeinsam, die Lage war fast aussichtslos, aber sie haben nicht aufgegeben: Sie sind standhaft geblieben, entweder durch Waffengewalt oder durch politisches Geschick. Dass ist bewundernswert, weil es große Anstrengungen bedurfte und Opferbereitschaft. Das hat mich beim studieren dieser epochalen Ereignisse immer tief bewegt, ja mitgerissen, denn auch ein Gehandicapter ist jeden Tag, jeden Monat, jedes Jahr vor neue Herausforderungen gestellt, egal im Beruf oder im Alltag, er hat soweit er dazu in der Lage ist immer nur zwei Möglichkeiten, entweder er gibt auf und damit sich selbst oder er kämpft.
In Zeiten des Umbruchs, wie wir sie derzeit global erleben stellt sich allerdings insgesamt die Frage wie wir die rasanten gesellschaftlichen Herausforderungen bewältigen wollen und können. Dabei fängt dies bei der Politik selbst an: Diktate und Ideologien, sowie irrationale Verordnungen führen zu gesellschaftlicher Zermürbung. Allerdings gerade auf die Kommunalpolitik bezogen, muss man auch konstatieren, dass es auch bei meiner politischen Heimat in Mannheim angebracht wäre demütiger aufzutreten und sich darauf zu fokussieren was die Bürger, ja den Wähler tatsächlich wieder anzieht. Ich habe gelernt, dass wenn man hinfällt, sei es physisch, was mir häufig aufgrund meines Gehhandicaps passiert oder aufgrund von Personen die einem Steine absichtlich in den Weg legen, dass es nicht ausreicht nur aufzustehen und zu kämpfen, sondern die kritische Selbstreflexion ist unumgänglich. Was kann man, damit man nicht erneut hinfällt besser machen. Dazu braucht man auch ein großes Maß an Demut. Demut ist das Wichtigste überhaupt, hat man das nicht, fällt man noch härter hin als vorher. Gerade das brauchen wir bei allen Herausforderungen der Zukunft und zwar im Dialog, im Zuhören, nicht im Diktat. Dazu zählt auch meine politische Heimat hier vor Ort, wenn man Fehler macht, die einem zum Sturz brachten, muss man sagen, ja dass war Mist, aber was können wir wieder besser machen, welche Konsequenzen ziehen wir für uns und für die politischen Herausforderungen. Genau dies ist der Wille zur Demut, um dann neue politische und gesellschaftliche Wege zu beschreiten. Im Übrigen ich habe gelernt, dass nur wenige bei solchen Schwierigkeiten helfen, gerade, wenn man Gehandicapt ist, aber es gibt die wenigen, denen ich gerade heute danken möchte, die es verstehen, dass es auch Mehrwerte bei der Inklusion gibt. Man wird vielleicht nicht die Sterne erreichen, aber der Glaube es schaffen zu können, ist die Standhaftigkeit in Demut und Selbstkritik alle mal wert. In Memoriam an einen geistigen Helden, Steven Hawkin.