Ungeimpfter Joshua Kimmich am Pranger

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(GM) Daran, dass Deutschland in „Tagesschau“ und „Heute“ allabendlich über Corona-Neuinfektionen, Inzidenzzahlen und Impfquoten informiert wird, haben wir uns inzwischen gewöhnt. Dies sind in Zeiten wie diesen nun einmal Themen für Nachrichtensendungen. Dass aber das Geständnis eines Fußballprofis, nicht geimpft zu sein, fast zum Hauptthema sämtlicher Sportsendungen des Wochenendes, inklusive entsprechender Berichtserstattung in den Printmedien wird, überrascht dann doch.

Am Montag darauf richtete sogar Regierungssprecher Steffen Seibert einen eindringlichen Appell an den Fußballer und machte die Sache somit praktisch zum Staatsakt.

Nach dem glanzvollen 4:0-Sieg seines FC Bayern, gegen die TSG Hoffenheim, stellte sich Bayern-Spieler Joshua Kimmich den Fragen eines TV-Reporters, der aber über die gerade abgepfiffene Begegnung gar nicht zu sprechen gedachte, sondern vielmehr von Kimmich wissen wollte, warum dieser noch nicht geimpft ist.

„Ich persönlich habe noch ein paar Bedenken, gerade, was fehlende Langzeitstudien angeht“, antwortete Kimmich, fügte aber hinzu: „Ich bin kein Corona-Leugner und kein Impfgegner. Aber es gibt eben auch Menschen, die aus verschiedenen Gründen Bedenken haben. Auch das sollte man respektieren, vor allem, wenn man sich an die Maßnahmen hält.“

Klingt vernünftig! Aber nicht in Zeiten wie diesen. Das Medienecho war enorm – und es war durchweg so negativ wie der Corona-Test eines virusfreien Menschen. Es war beileibe keine Diskussion, die der Bayern-Spieler mit seiner Aussage lostrat; bei einer Diskussion tauscht man Meinungen aus. Joshua Kimmichs Meinung aber wurde als absurd und rundweg falsch bezeichnet. Dass der junge Nationalspieler allgemeinhin als intelligent und vernünftig gilt, spielte plötzlich keine Rolle mehr. Jetzt war alles, was er sagte, auf einmal Unsinn und eine Enttäuschung für seine Anhänger.

Aber wieso eigentlich? Joshua Kimmichs Einstellung entspricht vielleicht nicht die der Mehrheit im Land, aber allein steht er mit seiner Meinung ganz sicher nicht. Es gibt viele Menschen, die seine Meinung teilen und das sind keineswegs nur Ignoranten oder Lebensmüde. Schade, dass das nicht akzeptiert wird. Vielmehr wurde beim Großteil der deutschen Presse harsche Kritik geübt und der Vorwurf laut, mit seiner Aussage würde sich Kimmich zum Aushängeschild der Impfgegner und -verweigerer machen.
Auch die Nr. 1 der Tennis-Weltrangliste der Herren, Novak Djokovic, ließ sich bisher nicht impfen und nimmt dafür sogar in Kauf, bei den bevorstehenden Australian Open nicht antreten zu dürfen. Der internationale Medien-Aufschrei fiel in Djokovics Fall deutlich weniger lautstark auf, als hierzulande Kimmichs Aussage.

Dabei hatte Joshua Kimmich deutlich erklärt, dass er es durchaus für möglich halte, sich in Zukunft impfen zu lassen. Nur eben zu einem Zeitpunkt, den er für richtig hält – und offenbar dann, wenn er genügend Informationen hat, die seine „Bedenken“ zerstreuen.
Sogar innerhalb der Ärzteschaft gibt es Verständnis für solche Bedenken, da die „Datenqualität“ der einzelnen Testphasen sämtlicher bisher entwickelter Impfstoffe – dadurch, dass diese Phasen „verkürzt“ wurden – selbstverständlich nicht so hoch sein kann, wie bei einer Studie, die sich über mehrere Jahre erstreckt. Das ist eine Tatsache. Und wer sich das bewusst macht, kann sich möglicherweise nicht spontan für eine Impfung entscheiden, sondern braucht noch weitere Informationen, um sich eine endgültige Meinung zu bilden.

Wenn vielerorts Pressefreiheit eingefordert wird, muss das auch für Meinungsfreiheit gelten, auch die ist im Grundgesetz verankert. Und dort heißt es zudem: „Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.“

Diese Sätze sind ganz wichtig: Wenn jemand befürchtet, durch eine Impfung Schäden davonzutragen, ist es sein Recht, die Impfung zu verweigern. Dann muss das einfach akzeptiert werden.

Noch einmal: Nur der Gesetzgeber kann in dieses Recht eingreifen. Aber das hat er bisher nicht getan. Noch gibt es in Deutschland KEINE Impfplicht. Somit kann man Joshua Kimmich nichts vorwerfen. Auch nicht, dass er durch sein Verhalten andere gefährdet. Denn es ist Vorschrift, dass alle Fußballprofis regelmäßig getestet werden müssen. Nur negativ getestete Spieler dürfen am Trainings- und Spielbetrieb teilnehmen. Hält sich Joshua Kimmich an diese Vorgaben – und nach eigener Aussage tut er das – geht von ihm auch keine Gefahr aus.

Und: Kimmich mit dem Hinweis auf seine Vorbildfunktion zur Impfung bewegen zu wollen, heißt nichts anderes, als Druck auf ihn auszuüben. Dazu hat niemand das Recht. Er hat sich nicht selbst zum Vorbild gemacht, sondern wurde „von außen“, nicht zuletzt von dieser Art Presse, die ihn nun pauschal kritisiert, dazu hochstilisiert. Und nur weil jemand von anderen als Vorbild angesehen wird, ist er nicht verpflichtet, etwas gegen die eigene Überzeugung zu tun und er muss auch nicht die Erwartungshaltung anderer befriedigen. Ihn wegen seiner (noch) nicht vorhandenen Impfbereitschaft derart an den Pranger zu stellen, ist maßlos übertrieben.

Selbst eine prominente Medizinerin wie Alena Buyx, die Vorsitzende des Deutschen Ethikrats und Gesprächspartnerin in unzähligen TV-Talk-Shows, sagt ausdrücklich, dass es jedem Einzelnen überlassen sein muss, ob er sich impfen lässt oder nicht, auch wenn sie eine Impfung grundsätzlich empfiehlt.

Bevor man die Einstellung Joshua Kimmichs verurteilt, sollte man einfach nur mal kurz darüber nachdenken: Kimmich ist nicht geimpft, aber nicht infiziert; sein Trainer, Julian Nagelsmann, ist vollständig geimpft, aber an Corona erkrankt.