„Den kalten Strukturwandel stoppen“: Nordbadische Landräte senden Plädoyer für ein Vorschaltgesetz zur Krankenhausstrukturreform an Bundestagsabgeordnete der Regierungskoalition

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P R E S S E M I T T E I L U N G

Mosbach, 25. Oktober 2023
RNKneu
Mosbach/Buchen. Mit einem „leidenschaftlichen Plädoyer, zugleich aber auch einem dringenden
Hilferuf“ wendeten sich die sieben Landräte im Regierungsbezirk Karlsruhe zu Beginn der Woche
an die örtlichen Bundestagsabgeordneten der Koalitionsfraktionen. Die finanzielle Situation der
Krankenhäuser werde von Tag zu Tag prekärer, so die eindringliche Mahnung der Landräte
Helmut Riegger (Landkreis Calw), Bastian Rosenau (Enzkreis), Dr. Klaus Michael Rückert
(Landkreis Freudenstadt), Dr. Christoph Schnaudigel (Landkreis Karlsruhe), Dr. Achim Brötel
(Neckar-Odenwald-Kreis), Prof. Dr. Christian Dusch (Landkreis Rastatt) und Stefan Dallinger
(Rhein-Neckar-Kreis). Um den „kalten Strukturwandel“ zu beenden, forderten die Kreischefs nach
Sprengel-Beratungen in Gernsbach (Landkreis Rastatt) „zeitnah ein mit mindestens fünf
Milliarden Euro dotiertes Vorschaltgesetz“ zu der geplanten Krankenhausstrukturreform.

Allein die noch immer anhaltenden wirtschaftlichen Folgen aus der Pandemie, genauso
aber die durch den Ukraine-Krieg befeuerten Kostensteigerungen sowie unter anderem
Tariferhöhungen ließen die Defizite der Kliniken auch in Baden-Württemberg durch die Decke
schießen, heißt es weiter in dem vierseitigen Schreiben. Dabei wachse der finanzielle Verlust
nach Berechnungen der Baden-Württembergischen Krankenhausgesellschaft (BWKG) jede
Stunde um rund 71.000 Euro an und das obwohl die Kliniken in den Landkreisen schon längst
einen grundlegenden Strukturwandel durchgemacht hätten. „Unsere Krankenhäuser und wir als
kommunale Träger stehen dadurch inzwischen wirtschaftlich mit dem Rücken an der Wand“,
erklären die sieben Landratskollegen unmissverständlich.
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Unterstrichen wird in dem Brief auch, dass man durchaus Hoffnung in die „vielfach angekündigte
und im Grunde schon längst überfällige Krankenhausstrukturreform“ und insbesondere in die
geplante Refinanzierung der Vorhaltekosten setze: „Patientinnen und Patienten sind nämlich
keine Ware, sondern Menschen mit gesundheitlichen Einschränkungen und zum Teil
lebensbedrohlichen Erkrankungen, denen in unseren Kliniken mit hoher Kompetenz, großer
Fachlichkeit, vor allem aber auch nicht zu unterschätzender persönlicher Zuwendung geholfen
wird“, so die Grundaussage des Plädoyers – gleich auch verbunden mit dem Hinweis, dass die
jetzt zum Teil betroffenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter über viele Monate hinweg
aufopferungsvoll gegen das Corona-Virus angekämpft hätten. „Es war nicht zuletzt
die flächendeckende und wohnortnahe Krankenhausstruktur, die uns wesentlich besser
durch die Pandemie geführt hat als in vielen unserer europäischen Nachbarländer“, schreiben die
Landräte den Abgeordneten ins Stammbuch.

Alles das stehe aber ganz konkret auf dem Spiel. Schon jetzt seien bundesweit mindestens 34
Kliniken in Insolvenz. Diese Insolvenzwelle betreffe nicht nur kleine Kliniken im ländlichen Raum,
sondern auch große Häuser wie aktuell das St. Vincenz-Krankenhaus in Paderborn mit 3.000
Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Auch in Baden-Württemberg sei die Insolvenzwelle
schon angekommen, wie das traurige Beispiel der Rotkreuz-Klinik in Wertheim zeige.
„Insolvenzen gehen zunächst nämlich immer mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, dann
aber auch mit den Patientinnen und Patienten heim“, heißt es weiter. Um Insolvenzen zu
verhindern, würden zudem die Landkreise als dafür unzuständige Ausfallbürgen in Haftung
genommen und müssten mit Millionenbeträgen ein System subventionieren, das sich nach dem
Grundgedanken der Sozialversicherung eigentlich selbst tragen müsse. „In unseren Augen ist
das ein Armutszeugnis für unser Land“, schließen die nordbadischen Landräte ihre Analyse ab.

Auf dieser Basis fordern Riegger, Rosenau, Rückert, Schnaudigel, Brötel, Dusch und Dallinger
schließlich die Abgeordneten dazu auf, in Berlin dafür Sorge zu tragen, dass die Krankenhäuser
überhaupt die Chance bekommen, sich in zukunftsfesten Strukturen neu aufzustellen. Ein bloßes
Warten auf die angekündigte Reform reiche nicht aus, da es noch Jahre dauere, bis die
angestrebten wirtschaftlichen Folgen tatsächlich greifen, selbst wenn ein solcher Gesetzentwurf
kurzfristig vorgelegt würde. „So lange werden viele Krankenhäuser aber unter den derzeitigen
Rahmenbedingungen definitiv nicht mehr durchhalten können“, betonen die Landräte, die
deshalb ein Vorschaltgesetz fordern, das es den Krankenhäusern ermögliche, überhaupt an der
Reform teilzunehmen. „Eine Reform, die zu spät kommt, weil vorher schon Fakten geschaffen
wurden, verfehlt hingegen ersichtlich ihren Sinn. Wir sehen Sie als gewählte Volksvertreterinnen
und Volksvertreter deshalb da unmittelbar in der Pflicht, auch die Interessen der Menschen zu
vertreten. Und: Bei dieser Frage geht es wirklich um viel“, so der Appell am Ende des Schreibens. Dieses wurde am Montag an insgesamt 17 Bundestagsabgeordnete von SPD,
Grünen und FDP verschickt.