„Luftfilter sind kein Allheilmittel“

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Bürgermeister der Region richten sich eher nach den Empfehlungen des Bundesumweltamtes - Richtiges Lüften an den Schulen angemessen
Bergstraße/Neckar. „Lüften, Lüften, Lüften.“ Mit dieser klaren Ansage wird der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann in den letzten Wochen oft zitiert, wenn es um den bestmöglichen Schutz an Schulen vor dem Corona-Virus geht. Mehrfach hat der Landesvater davor gewarnt, technische Luftfiltergeräte als Allheilmittel zu betrachten. Diese Einschätzung teilen auch Oberbürgermeister Manuel Just Weinheim und seine Kollegen im „Bürgermeistersprengel“ Bergstraße/Neckar. Die Rathauschefs halten den Kretschmann-Ansatz für deutlich realistischer und der Lage eher angemessen als den Schwerpunkt eines aktuell vorgelegtes 40-Millionen-Programms des Kultusministeriums. Im Einzelfall sei man aber im direkten Gespräch mit den Schulen vor Ort um den Bedarf zu ermitteln.
Denn die Rathauschefs Manuel Just und Dr. Torsten Fetzner (Weinheim), Jürgen Kirchner (Hemsbach), Benjamin Köpfle (Laudenbach), Ralf Gänshirt (Hirschberg), Hansjörg Höfer (Schriesheim), Michael Kessler (Heddesheim), Simon Michler (Edingen-Neckarhausen), Stefan Schmutz (Ladenburg), Andreas Metz (Ilvesheim) und Christoph Oeldorf (Wilhelmsfeld) sehen beim Thema Luftreinigungsanlagen derzeit noch mehr offene Fragen und bei nicht fachgerechtem Einsatz sogar Risiken statt der Chance eines flächendeckenden Infektionsschutzes. Die Behördenleiter, deren Kommunen auch Schulträger sind, richten sich mit dieser Einschätzung auch nach einer Empfehlung des Bundesumweltamtes und des Städtetages. Das Bundesumweltamt rät dazu, das Stoßlüften durch technische Anlagen höchstens zu ergänzen, aber nicht zu ersetzen. Das könnte eine scheinbare Sicherheit vorgaukeln.
Die Bürgermeister haben die Sinnhaftigkeit von technischen Anlagen zur Luftreinhaltung in den letzten Wochen prüfen lassen. Zunächst betonen sie, dass rund 95 Prozent der Klassenräume leicht durch Öffnen der Fenster zu lüften seien; in unbelüfteten Innenräumen sollte in Corona-Zeiten gar nicht unterrichtet werden. „Das Lüften bleibt das Mittel der Wahl“, so die Bürgermeister, die den Vorstoß aus Stuttgart für eher unausgegoren halten. Technische Geräte würden dazu verleiten, die empfohlenen Lüftungsintervalle nicht einzuhalten. Sie stellen klar: „Wir stellen uns nicht gegen neue technische Lösungen, aber es geht uns um die Gesundheit der Schüler und Lehrer, und da brauchen wir vor Ort umsetzbare Lösungen.“ In den Kommunen sei man in enger Abstimmung mit den Schulleitungen, um individuell zu prüfen, wo Luftfilter oder auch CO2-Ampeln trotz der Bedenken ein probates Mittel zur Verbesserung der Raumluft sein können.
Übereilte und nicht zu Ende gedachte Aktionen bringen den Schulträgern und letztendlich auch der Gesundheit der Schüler und der Beschäftigten an den Schulen jetzt nichts außer gereizter Stimmung, so die Behördenchefs. An den Schulen gebe es noch keine Erfahrungen und keine Infrastruktur für Reinigung, Wartung und Filterwechsel der Geräte – ein unsachgemäßer Umgang berge aber Gefahren und die gerade nicht beabsichtigte Wirkung, zum Beispiel bei einem defekten Filter. Außerdem würden die CO-2-Werte unverhältnismäßig steigen. „Unter den Aspekten von Energieeffizienz und Klimaschutz sind die Geräte nur dort vertretbar, wo es keine bessere Alternative gibt“, finden die Bürgermeister außerdem.
Grundsätzlich begrüßen die Bürgermeister das Förderprogramm, das den Kommunen Investitionen für die Digitalisierung und in raumlufthygienische Maßnahmen erleichtert. Aber anders als bei den Mitteln für den Ausbau der Digitalisierung vermissen die Bürgermeister in der Förderung von Luftreinigungsanlagen die Nachhaltigkeit. Denn dabei würden für einen Zeitraum von wenigen Monaten Millionen in eine Übergangslösung fließen. „Und das in einer Zeit, in der alle öffentlichen Haushalte coronageschädigt sind“, wundern sich die Rathauschefs. Nach Angaben des Landes soll in eine mittelgroße Schule mit rund 500 Schülern eine Landesförderung von etwa 15 000 Euro fließen. Das reiche definitiv nirgends für eine abdeckende Ausstattung an den Schulen, höchstens für eine punktuelle Ergänzung. Diese Entscheidungen werde man als Schulträger eng mit den Schulen abstimmen.