"Vor Ort weiß man am besten Bescheid“

Schulversuch „AV dual“ in Weinheim stellte sich Regierungspräsidentin Nicolette Kressl vor – Ein großes Netzwerk am Schulstandort

Weinheim. Dominik ist nicht besonders anspruchsvoll. Was sich der Junge fürs Leben wünscht, passt in einen Satz: „Eine Familie und eine Arbeit, die mir Spaß macht.“ Dominik, Vater deutsch, Mutter polnisch, hat gute Chancen, dass es klappt. Denn Dominik durchläuft am Beruflichen Schulzentrum in Weinheim ein Jahr in AV dual – das ist ein Schulversuch, bei dem junge Menschen während ihrer Schulzeit besonders intensiv auf den Übergang ins Berufsleben vorbereitet werden. AV heißt Arbeitsvorbereitung.
Darin finden sich Jugendliche, die es in ihrer Schullaufbahn nicht immer leicht hatten. Ohne eine intensive und sehr individuelle Berufsvorbereitung, wie sie bei AV dual vorgesehen ist, wäre ihr Weg in die Arbeitslosigkeit womöglich vorgezeichnet. Jetzt kann sich Dominik aber im praxisbezogenen Unterricht auf seine Kochlehre vorbereiten, er hat schon ein Praktikum in einem Restaurant absolviert und er bekam sogar Unterstützung, ein kurzes Bewerbungsvideo zu drehen, das er künftigen Arbeitgebern zeigen kann. So kann man sich bewerben!
Mit großem Interesse verfolgte Nicolette Kressl, die Regierungspräsidentin des Regierungsbezirks Karlsruhe, jetzt die Aktivitäten von Dominik und den anderen Jugendlichen im AV dual, das am Schulstandort Weinheim von der Hans-Freudenberg-Schule und der Helen-Keller-Schule angeboten wird. Beide Schulen sind in Trägerschaft des Kreises, das Projekt wird von Susanne Felger vom Weinheimer „Übergangangsmanagement Schule-Beruf“ koordiniert.
Die Regierungspräsidentin, die selbst Berufsschullehrerin war, bevor sie in die Politik ging, zeigte sich sehr interessiert und mit hoher Affinität zum Thema – und sie wurde an den beiden AV dual-Schulen herzlich willkommen geheißen. Unter anderem mit den Video-Bewerbungsfilmen von Dominik und seiner AV-Klassenkameradin Miranda, die im Einzelhandel arbeiten will, aber auch von einer Klasse, die auf selbst gebauten „Cajons“ in einem Trommel-Workshop für ihren Auftritt probten. Das aktuell an der Hans-Freudenberg-Schule laufende Projekt „Handwerk und Musik verbindet“ wurde durch die Verleihung des Gudrun-und-Karl-Heinz-Maiwald-Förderpreises (Bürgerstiftung Weinheim) ermöglicht und bietet den AV dual-Schülern die Möglichkeit, handwerkliches Geschick und musikalische Kreativität zu verbinden. Des weiteren erhielt die Regierungspräsidentin einen Einblick in die so genannte „offene Lernzeit“ und in die Praxisfächer. Abgerundet wurde der Besuch durch ein gesundes Mittagessen aus der Hauswirtschaftsküche. Sichtbares Lernen.
Beide Schulleiterinnen, Senta Amann und Andrea Haushalter, führten Nicolette Kressl gemeinsam mit Hans Werner, Bildungsdezernent des Rhein-Neckar-Kreises und Weinheims Oberbürgermeister Heiner Bernhard durch die Unterrichtsräume und Werkstätten.
In einer kleinen Einführung hatten anfangs Torsten Nesselhauf von der Hans-Freudenberg-Schule und Alexander Haas von der Helen-Keller-Schule die Intention und die Umsetzung des Schulversuchs erläutert. Sie betonten, dass das Netzwerk der „Weinheimer Bildungskette“ dabei besonders wichtig ist. „Vor Ort kennt man sich eben am besten aus und weiß, was passt“, kommentierte Weinheims Oberbürgermeister Heiner Bernhard.
Denn AV dual sei nicht denkbar ohne die Jugendberufshilfe-Fachkräfte, die hier AV-Begleiter heißen. Sie kommen von der regionalen Jugendagentur Job Central und arbeiten mit eigenem Büro an den Schulen, ganz eng mit den Lehrkräften zusammen. Möglich wird das Dank der Förderung durch das Ministerium für Finanzen und Wirtschaft, den Europäischen Sozialfonds, die Stadt Weinheim und den Landkreis – auch dies also ein „Gemeinschaftswerk“.
Ganztagesförderung, individualisiertes Lernen, Lernberater und AV-Begleiter, Einzelcoaching, viele Betriebspraktika, engere Kooperation mit der Agentur für Arbeit, IHK und HWK und intensive Elternarbeit sind entscheidende Elemente. Torsten Nesselhauf beschrieb: „Unsere Jugendlichen sind ganz sensible Geschöpfe, auch wenn sie nach außen knallhart wirken wollen.“ Die beiden Lehrer verwiesen ebenso auf ein engagiertes Kollegium. Mehr Unterstützung, insbesondere bei den Betriebspraktika, wünsche man sich hingegen aus der Wirtschaft.
So bekam die Regierungspräsidentin einen Eindruck vom Schulversuch, den beiden Beruflichen Schulen und dem Schulstandort Weinheim. Und von den Erfolgen: Die Zahl der jungen Leute, die dort einen Hauptschulabschluss erreichen steigt, genauso wie die Zahl derjenigen, die nach der Berufsvorbereitung in eine Berufsqualifizierung einsteigen. Auch wenn es falsch wäre, die Erfolge von AV dual alleine am Übergang in Ausbildung zu messen, fasst OB Bernhard zusammen. Der Weinheimer Rathauschef kennt das Thema von der bundesweit agierenden Arbeitsgemeinschaft „Weinheimer Initiative“ sehr gut. Daher war er sich mit den Pädagogen und Nicolette Kressl auch einig: „Die Erfolge von AV Dual sind nicht alleine an Noten, Abschlüssen und Anschlüssen messbar, auch die Persönlichkeitsentwicklung der jungen Leute ist ein Maßstab.“ Dafür dankten beide den engagierten Pädagoginnen und Pädagogen im Team des AV dual. Beide lobten es als Beispiel für erfolgreiche Kooperation.K1024 P1020809