Ludwigshafener Zentrum für individuelle Erziehungshilfen wird 50 Jahre alt: Vom Heim zum Familienzentrum

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Ludwigshafen, den 22. Juni 2016

Ludwigshafener Zentrum für individuelle Erziehungshilfen wird 50 Jahre alt: Vom Heim zum Familienzentrum

Das Ludwigshafener Zentrum für individuelle Erziehungshilfen, LuZiE, besteht seit nunmehr 50 Jahren. Bei einem Pressegespräch am Mittwoch, 22. Juni 2016, blickten Familiendezernentin Prof. Dr. Cornelia Reifenberg, der Leiter von LuZiE, Eberhard Bucher, und die Abteilungsleitungen Petra Herbold und Holger Förter-Barth, auf die Entwicklung der Einrichtung vom Heim zu einem Familienzentrum und stellten die Veranstaltungen im Jubiläumsjahr vor.

"In den vergangenen 50 Jahren hat sich LuZiE nicht nur vom Namen her grundlegend verändert. Vom früheren Heim hat sich die Einrichtung zu einem Zentrum entwickelt, das partnerschaftlich mit Kindern, Jugendlichen und Eltern gemeinsame Wege für ein gutes Zusammenleben von Familien erarbeitet. Auf fachlich hohem Niveau gibt es eine Vielzahl von pädagogischen Instrumenten, die für jeden Einzelfall passgenau ausdifferenziert werden. Immer im Mittelpunkt steht das Wohl der Kinder und Jugendlichen, die LuZiE anvertraut sind", so Beigeordnete Prof. Dr. Cornelia Reifenberg.

Aktuell betreut die Einrichtung rund 590 Kinder und Jugendliche. 120 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter arbeiten beim LuZiE. Im Bereich der Heimerziehung macht LuZiE sehr unterschiedliche Angebote der Wohngruppen passend zu den unterschiedlichen Bedarfen der einzelnen Familien beziehungsweise deren Kinder und Jugendlichen. Dies gilt ebenso für den Bereich der ambulanten erzieherischen Hilfen durch Angebote im Kontext von Krisenintervention und vorbeugenden, präventiven Hilfen. Die Einrichtung versucht, damit bereits im Vorfeld familiärer oder elterlicher Überforderung Hilfe anzubieten. Zu dem Bereich der Krisenintervention gehören auch die Notaufnahmegruppe für Kinder und Jugendliche von sechs bis 17 Jahren und die Bereitschaftspflege für Säuglinge und Kleinkinder. Diese Hilfeformen sind bewusst so geschaffen, dass sie Familien in Krisen vorübergehend Entlastung bieten und die Kinder gut und professionell betreut sind. Die Intervention ist jedoch von vornherein befristet und hat das Ziel, die Rückführung der Kinder zu ihren Eltern zu ermöglichen oder zu klären, wie Eltern wieder fähig werden, ihre Kinder selbst zu versorgen und zu erziehen.

"Das Ludwigshafener Zentrum für individuelle Erziehungshilfen hat sowohl im regionalen Kontext als auch im Land Rheinland-Pfalz einen hervorragenden Ruf und gilt als Wegbereiter innovativer Jugendhilfe. So wurden beispielsweise neben der Differenzierung des Leistungsangebots der Einrichtung die Empfehlungen des 'Runden Tischs zur Heimerziehung der 50er und 60er Jahre (Berlin)' zügig aufgegriffen", so Reifenberg. In einem über zweijährigen Prozess wurden zu den Themen "Schutz und Sicherheit der Kinder und Jugendlichen" und "Sexualerziehung in der Jugendhilfe" umfangreiche Fortbildungen durchgeführt, Strukturen angepasst und Konsequenzen konzeptionell umgesetzt. Dazu gehören unter anderem ein umfangreicher Rechtekatalog für die Kinder und Jugendlichen, die Einrichtung einer externen Ombudsstelle beim Kinderschutzbund Ludwigshafen und aktuell die Einführung eines Verfahrens zum Beschwerdemanagement.

"Erreichen konnten wir diese Entwicklung und Innovation vor allem durch eine über die Jahre anhaltende und nachhaltig wirkende Qualifikation unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Pädagogisch richtet sich die Einrichtung an der Systemtheorie und dem Lösungsorientierten Ansatz aus. Das Fallverstehen und die Art der Herangehensweise beim Start einer Hilfe zur Erziehung einschließlich der entsprechenden Konferenzstrukturen sind aufeinander abgestimmt und durchgehend über alle Leistungsbereiche identisch. Ein über die Jahre auf die Bedürfnisse der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und die Entwicklung der erzieherischen Hilfen innerhalb der Jugendhilfe ausgerichtetes Personalentwicklungskonzept schaffte die Voraussetzungen für die umfangreichen Innovations- und Anpassungsprozesse", erläuterte Eberhard Bucher, Leiter von LuZiE.

"LuZiE misst der Zusammenarbeit mit Einrichtungen freier Träger in der Stadt einen sehr hohen Stellenwert bei. Gemeinsame Fort- und Weiterbildung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern mit anderen Jugendhilfeeinrichtungen, die Zusammenarbeit im Rahmen des Eltern-Kind-Kompetenzzentrums (ElKiKo), bei der Entwicklung von konzeptionellen Standards und bei der Versorgung
von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen sind einige sehr erfolgreiche Kooperationsformen", so Prof. Dr. Reifenberg. Sie attestierte LuZiE und den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern eine erfolgreiche Arbeit mit zentraler Bedeutung für die Jugendhilfe in Ludwigshafen.

Fachveranstaltungen und Geburtstagsfest

LuZiE begeht das 50. Jubiläum mit einer Reihe von Fachveranstaltungen und einem Geburtstagsfest. Bereits im März und April beschäftigten sich zwei Fachtage mit dem Thema "Neue Blickwinkel für Beziehungen" sowie der Frage "Was hält Kinder gesund?".

Am 23. Juni befasst sich ein Fachtag, zu dem Vertreterinnen und Vertreter der engen Kooperationspartner aus dem Gesundheitswesen und der Jugendhilfe eingeladen sind, mit dem Thema "Kooperation". Dabei soll herausgearbeitet werden, welche Chancen in einer guten institutionellen Kooperation für die betreffenden Familien, Kinder und Jugendlichen liegen. Am 6. Oktober wird sich ein weiterer Fachtag mit Themen rund um die Pflegekinderhilfe beschäftigen.

Auch ein Geburtstagsfest wird es geben: Am Sonntag, 25. September, wird das LuZiE alle Ehemaligen, Nachbarinnen und Nachbarn, Freundinnen und Freunde, Pflegeeltern und Eltern der betreuten Kinder zu einem Fest auf dem Gelände einladen.

Zum Hintergrund:
LuZiE als Teil der Stadtverwaltung

Die Organisationsstruktur wurde in den vergangenen Jahren stets im Rahmen der gesamtstädtischen Rahmenbedingungen
überprüft und angepasst. LuZiE ist inzwischen in sechs Abteilungen gegliedert, fünf pädagogischen Abteilungen steht jeweils eine Abteilungsleitung zur Verfügung, die Verwaltung untersteht direkt der Bereichsleitung. LuZiE wird als so genannte kostenrechnende Einrichtung innerhalb der Stadtverwaltung geführt, das heißt, die Leistungen des Bereichs und das Verhältnis zwischen Jugendamt und LuZiE sind im Rahmen von Kooperationsvereinbarungen und einer Entgelt- und Leistungsvereinbarung wie bei freien Trägern geregelt. Insofern wird jede im Einzelfall erbrachte Leistung durch das Jugendamt finanziert. Insgesamt steht der Einrichtung ein Budget von rund 6,8 Millionen Euro zur Verfügung, die Ausgaben sind durch die erzielten Einnahmen gedeckt.

Fallzahlen

57 Kinder und Jugendliche sind stationär im Heim unterge-bracht, 25 werden teilstationär betreut. Um rund 100 junge Men-schen kümmert sich LuZiE im Rahmen ambulanter Hilfen und im Betreuten Wohnen. 383 Kinder und Jugendliche leben in Fami-lien – davon 279 als Dauer-/Regelpflegekinder, 36 in sonderpä-dagogischen Pflegestellen, 21 im Projekt JuMeGa - Junge Men-schen in Gastfamilien und 23 in Bereitschaftspflege. Darüber hinaus betreut LuZiE 24 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge in Gastfamilien und 29, die bei Verwandten oder in kleineren Wohngemeinschaften leben.

Zum Hintergrund:

Im Jahr 1966 wurde das damalige Städtische Kinder- und Jugendwohnheim in der Ernst Reuter-Siedlung eröffnet. Vielen Kindern und Jugendlichen aus Ludwigshafen, die bis dahin in Einrichtungen in ganz Deutschland verstreut waren, konnte ein neues Zuhause in ihrer Heimatstadt ermöglicht werden. Dies war Absicht des damaligen Sozialdezernenten und späteren Oberbürgermeisters Dr. Werner Ludwig: "Ich will, dass Kinder, die nicht bei ihren Eltern aufwachsen können, trotzdem ein Ersatzzuhause in ihrer Heimatstadt haben" – so seine Aussage bei der Eröffnung der Einrichtung. Für 120 Kinder und Jugendliche wurde die Einrichtung ursprünglich geplant und gebaut.

Die Entwicklung der Jugendhilfe hat zu deutlichen Veränderungen beim ehemaligen Städtischen Kinder- und Jugendwohnheim geführt. Der erste einschneidende Schritt wurde 1982 umgesetzt, als ein Teil des Geländes und der Gebäude abgetrennt wurde. Die offene Kinder- und Jugendarbeit bekam einen größeren Stellenwert und die Protestantische Gesamtkirchengemeinde übernahm den offenen Betrieb der Evangelischen Jugendfreizeitstätte in der Gartenstadt in den vormals zum Kinderheim gehörenden Räumlichkeiten.

1990 wurde das Jugendwohlfahrtsgesetz (JWG) durch das Kinder- und Jugendhilfegesetz (KJHG, heute SGB VIII) ersetzt. Damit verbunden war ein Paradigmenwechsel in der Ausrichtung der Jugendhilfe. In vorderster Linie aller erzieherischen Hilfen steht seitdem die Unterstützung der Eltern und nicht deren Ersatz oder die Trennung der Kinder von ihren Eltern. Zielrichtung des Kinder- und Jugendhilfegesetzes ist die Unterstützung und Zusammenarbeit mit den Eltern, um deren elterliche Fähigkeiten und Kompetenzen zu entwickeln und sie zu befähigen, ihre Kinder selbst versorgen und erziehen zu können. In diesem Zusammenhang veränderte sich auch die Ausrichtung der Angebote des Städtischen Kinder- und Jugendwohnheims mit der bis dahin eher traditionellen Form der Heimerziehung in sogenannten Familienwohngruppen.

1992 übernahm der jetzige Leiter, Eberhard Bucher, die Verantwortung für die weitere Entwicklung. Schon bald konnten die gesetzlichen Vorgaben im Rahmen des SGB VIII (Kinder- und Jugendhilfegesetz) konkret werden und ab 1992 ergänzte die erste Tagesgruppe in der Bayreuther Straße das Leistungsangebot. Im Jahr 1995 wurde die Ausrichtung der erzieherischen Hilfen entscheidend verändert. Ambulante Unterstützung in Form von Sozialpädagogischer Familienhilfe, Erziehungsbeistandschaften und im Rahmen von Betreuten Wohnen für ältere Jugendliche und junge Erwachsene kamen hinzu. Stationäre Wohngruppen zogen aus dem Haupthaus in Wohnhäuser in Maudach, in der Gartenstadt und in Limburgerhof um und bilden seitdem kleine Wohneinheiten mit starkem familiärem Charakter. Weitere Tagesgruppen und andere Betreuungsformen wie Erziehungsstellen wurden ab 1996 aufgebaut und insgesamt das Angebot an Erziehungshilfen bedarfsgerecht und passgenau weiterentwickelt.

2002 kam der Pflegekinderdienst zu LuZiE, der sich rasant und sehr erfolgreich entwickelte. Waren 2002 noch über 320 Kinder und Jugendliche aus der Stadt Ludwigshafen in Heimerziehung und nur rund 90 Kinder in Pflegefamilien, hat sich dieses Verhältnis inzwischen deutlich gewandelt und zu einem beinahe umgekehrten Zahlenverhältnis entwickelt. Ab 2011 übernahm LuZiE den Pflegekinderdienst für den Rhein-Pfalz-Kreis. Die Stadt Ludwigshafen und der Rhein-Pfalz-Kreis haben dazu eine Zweckvereinbarung getroffen.