"Die Zukunftsrede" von Sascha Lobo erscheint im Bloch-Almanach 33/2015

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Die Jahrespublikation des Ernst-Bloch-Archivs der Stadt Ludwigshafen am Rhein, herausgegeben von Frank Degler und Klaus Kufeld, ist in diesem Jahr wieder zur Frankfurter Buchmesse im Talheimer Verlag erschienen. Der Bloch-Almanach ist im Buchhandel erhältlich und kostet 19 Euro (ISBN 978-3-89376-165-4).

Der Band beinhaltet neben der "Zukunftsrede", die Sascha Lobo 2014 unter dem Titel "Was heißt digitale Freiheit?" im Ernst-Bloch-Zentrum hielt, zahlreiche Beiträge von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern zu Theorien und Einflüssen Ernst Blochs in der aktuellen Forschung, unter anderem Oskar Negts Ausführungen zu "Propaganda" ausgehend von Ernst Blochs Analysen sowie ein Beitrag des Bloch-Preisträgers Jürgen Moltmann über die Rolle der Städte in einer globalisierten Welt. Der im Bloch-Almanach posthum erstmals publizierte Vortrag von Hinrich Fink-Eitel, den er vor 30 Jahren zum 100. Geburtstag Blochs in Heidelberg gehalten hat, widmet sich der philosophiegeschichtlichen Einordnung von Ernst Blochs Konzeption der Hoffnung als Prinzip. Weitere Beiträge sind von Marc Petersdorff, Tobias Heyden, Matthias Mayer, Lucien Pelletier, Josh Alvizu und Thilo Götze Regenbogen.
Als Wiederabdruck wird die Originalfassung von Ernst Blochs Aufsatz "Über das mathematische und dialektische Wesen in der Musik" aus dem Jahr 1925 präsentiert. Passend hierzu wird, neben dem 17. Teil der Bibliographie zu Karola Bloch von Welf Schröter, aus dem Ernst-Bloch-Archiv eine Inventarliste des gesamten Schallplattenbestandes aus dem privaten Nachlass von Ernst und Karola Bloch veröffentlicht und der Forschung zugänglich gemacht.

Der diesjährige Almanach präsentiert zunächst den Text der "Zukunftsrede 2014": Sascha Lobo hat sich dem Auftrag der Stiftung Ernst-Bloch-Zentrum, der mit der Zukunftsrede verbunden ist – nämlich "mutige Blicke in eine gute Zukunft zu werfen" –, ernsthaft und direkt gestellt. Um die Schwierigkeit zu überwinden, woher denn eine gute Zukunft genommen werden könnte, entwirft er schließlich das Bild einer Konkreten Netzutopie, die auf Ernst Blochs Konzept der Allianztechnik aufbaut, ohne die dystopischen Realitäten auszublenden, die deren Verwirklichung noch entgegenstehen.

Oskar Negt beschreibt einen systematischen Fehler der Linken, den er nicht nur in den 1970er Jahren beobachtet: Eine Unterernährung der Phantasie. Es sei genau diese fehlerhafte Kommunikation gewesen, durch die dem Nationalsozialismus der Raum für die Agitation unnötig weit geöffnet wurde. Auch in der Perspektive des Jahres 1975 sei es, mit Bloch, notwendig zu wünschen: "dass zu Menschen völlig wahr von ihren Sachen zu sprechen" sei. Nach Überzeugung der Herausgeber gilt dies auch 40 Jahre später, so dass (aus Anlass eines "Talks bei Bloch. Live" mit Oskar Negt im Ernst-Bloch-Zentrum) dieser Text wieder abgedruckt wird.
Aus einer christlichen Perspektive dagegen nähert sich der Bloch-Preisträger Jürgen Moltmann der Rolle der Städte in einer globalisierten Welt an. Obwohl gerade dort, in den kapitalistisch geprägten urbanen Räumen, die Vereinheitlichung der Lebensstile und der Kulturen unter dem Vorzeichen eines weltweiten Kapitalismus am weitesten fortgeschritten ist, seien doch gerade auch hier die Chancen für die Bewahrung einer regional begründeten Identität groß.

Einer philosophiegeschichtlichen Einordnung von Ernst Blochs Konzeption der Hoffnung als Prinzip sind die Analysen von Hinrich Fink-Eitel gewidmet, der diesen Vortag vor 30 Jahren zum 100. Geburtstag Blochs in Heidelberg gehalten hat und der hier nun posthum erstmals publiziert wird. Fink-Eitel argumentiert aber nur scheinbar unpolitisch, denn er verortet Bloch historisch als einen Denker, dessen Werk gerade angesichts der Katastrophen des 20. Jahrhunderts als Lebensphilosophie lesbar sei. Damit grenze sich Bloch entschieden von der Angst, Sorge und Todesfixiertheit etwa der Existenzphilosophie Heideggers ab.
Zunächst sehr kritisch nähert sich Marc Petersdorff der rhetorischen Struktur von Ernst Blochs Werk. Er konzentriert sich dabei auf die Frage nach der politischen Dimension der Überredung. In einer intensiven Analyse versucht Petersdorff in der Folge nachzuweisen, dass hier jedoch nichts weniger geschaffen wurde als eine Rhetorik, die selbst auf ihrer formalen Ebene utopisch wird. Auch die Wahrheit benötigt den Schein, um wirksam zu werden.

Wiederum eine christlich-theologische Perspektive wird in Tobias Heydens Analyse der Rezeption von Meister Eckhart durch Ernst Bloch verfolgt. Heyden rekonstruiert sehr detailliert die Quellenlage der entsprechenden Passagen in Blochs Werk und ordnet die Interpretation der Theologie Meister Eckharts historisch ein.

Matthias Mayer hat bei seinem Vortrag im Ernst-Bloch-Zentrum eine Rekonstruktion der aktuellen geschichtsphilosophischen Positionen vorgelegt. Vor dem Hintergrund von Bloch und Hegel werden etwa die Positionen von Fukuyama, Sloterdijk, Borghesi oder der analytischen Philosophie kritisch diskutiert – aber es wird auch auf Houellebecqs aktuellen Roman "Submission" eingegangen.
Die Entdeckung eben jenes philosophischen Kerngedankens des Noch-Nicht durch den jungen Ernst Bloch ist das Thema von Lucien Pelletiers Beitrag über zwei Notizen Oswald Külpes, bei welchem Bloch als Student ein Seminar besuchte. Pelletier erschließt Külpes Aufzeichnungen als wichtige Quelle zum frühen Bloch und rekonstruiert den inhaltlichen Kontext der Entstehung und den philosophischen Diskussionsstand zwischen Neukantianismus und Positivismus.
Der Science-Fiction-Autor Paul Scheerbart (1863-1915) steht im Zentrum des Beitrages von Joshua Alvizu. Dessen zu Unrecht wenig bekanntes Werk ist mit Ernst Bloch einerseits dadurch verbunden, dass sich Walter Benjamin in einem seiner letzten Essays über beide äußert und damit eine Argumentationslinie vorprägt, der auch Alvizu folgt. Scheerbart kann nämlich im Sinne der Blochschen Ästhetik des Vor-Scheins als ein utopischer Schriftsteller gelesen werden.

Aus Anlass einer Ausstellung über "Grafische Zyklen und Totentänze zum Ersten Weltkrieg" im Ernst-Bloch-Zentrum war mit Thilo Götze Regenbogen vereinbart worden, dass von ihm ein Beitrag zu einem Blatt aus dem Zyklus "Im Nacken das Sternemeer" von Ludwig Meidner erscheinen soll, das in der Ausstellung gezeigt wurde, welches im privaten Nachlass von Ernst und Karola Bloch entdeckt worden war. Thilo Götze Regenbogen ordnet die Grafik in das Werk und die Biographie Meidners ein und gibt wichtige Hinweise darauf, wie die Zeichnung vor dem zeithistorischen Hintergrund des Ersten Weltkrieges zu analysieren ist.