Neuartiger Bluttest für personalisierte Darmkrebs-Therapie

K1024 csm OncoBEAM 7470085fae
Dirk Schuhmann
Ein neuartiges diagnostisches Verfahren zur Auswahl der optimalen personalisierten Krebstherapie setzt die Universitätsmedizin Mannheim (UMM) ab sofort ein: Aus einer einfachen Blutprobe bestimmt das Institut für Klinische Chemie der UMM mit dem neu entwickelten Testsystem OncoBEAM® RAS CRC der Firma Sysmex den Mutationsstatus von metastasierten Darmtumoren. So können in kürzester Zeit Entscheidungen für die maßgeschneiderte Behandlung getroffen werden, damit die Patienten besser von den Möglichkeiten moderner, individualisierter Krebstherapien profitieren.

„Mit dem neu entwickelten Biomarkertest finden wir schnell und zuverlässig heraus, ob der Darmtumor des individuellen Patienten mit einem bestimmten Medikament behandelt werden kann oder nicht“, berichtet Professor Dr. med. Michael Neumaier, Direktor des Instituts für Klinische Chemie und erläutert: „In etwa der Hälfte der metastasierten Dickdarmtumore sind diese Gene nicht verändert. Diese Tumore sprechen auf eine zielgerichtete Therapie mit Antikörpern gegen den so genannten EGF-Rezeptor (Epidermal Growth Factor) an – zum Beispiel Cetuximab oder Panitumumab. Die andere Hälfte der Patienten leidet an Tumoren mit einem mutierten RAS-Gen; dort wirken diese Mittel nicht. Erschwerend kommt hinzu, dass metastasierende Dickdarmkarzinome auch während der Behandlung RAS-Mutationen entwickeln können, so dass die zunächst erfolgreiche Antikörper-Therapie nicht mehr wirkt.“ Bisher mussten Patienten mit fortgeschrittenem Dickdarmkrebs immer wieder Gewebeproben (Biopsien) aus oft schwer zugänglichen Metastasen entnommen und aufwändig histologisch untersucht werden.

Weil aus Krebsgeschwulsten ständig Tumor-DNA ins Blut gelangt, genügt mit dem neuen Testsystem eine kleine Blutprobe, die bei der normalen Nachsorge entnommen wird, um die Wirksamkeit der Antikörper-Therapie gegen den EGF-Rezeptor abzuschätzen. „Der OncoBEAM® RAS Test kann unterscheiden, ob die im Blut vorhandene Tumor-Erbsubstanz unverändert oder mutiert ist“, erklärt der wissenschaftliche Leiter von Sysmex Life Science, Dr. Frank Diehl, der das neuartige Verfahren maßgeblich mitentwickelt hat, und ergänzt: „Die Technologie ist so empfindlich, dass wir analytisch in der Lage sind, noch einzelne mutierte DNA-Fragmente sicher erkennen zu können. Der Test berücksichtigt die 34 klinisch relevanten Mutationen in den RAS-Genen und ist in seiner Sensitivität für die Vorhersage des Ansprechens der Patienten auf die zielgerichtete Therapie optimiert.“ Die Technologie wurde in den vergangenen drei Jahren unter anderem am Institut für Klinische Chemie der UMM validiert und zur Anwendungsreife gebracht.

Dickdarmkrebs ist geschlechterübergreifend die häufigste Krebserkrankung weltweit. Bei rund einem Viertel der Fälle hat der Tumor bis zur Diagnose bereits Tochtergeschwulste (Metastasen) gebildet. „In diesem fortgeschrittenen Stadium lässt sich die Erkrankung zwar oft nicht mehr heilen, wir können aber mit zielgerichteten Arzneimitteln das Tumorwachstum bremsen und die Krankheit so meist über längere Zeit unter Kontrolle bringen“, erläutert Professor Dr. med. Matthias Ebert, Direktor der II. Medizinischen Klinik. Professor Dr. med. Ralf Hofheinz, Leiter des Tagestherapiezentrums der UMM ergänzt: „Mit der neuen Methode können wir auch nach Beginn einer Therapie mit EGFR-Antikörpern überprüfen, ob Genveränderungen im Blut auftreten, die ein früher Hinweis darauf sein können, dass die eingesetzte Tumortherapie nicht mehr wirkt.“ So kann die neue Mutationsdiagnose dazu beitragen, die Therapie bei Bedarf schnell und ohne vorherige invasive Biopsie an das veränderte Tumorprofil anzupassen.

„Mit dem neuen Verfahren etabliert die UMM ein neues Kompetenzzentrum für ‚Liquid Biopsy‘ – also den diagnostischen Nachweis von Tumor-DNA im Blut“, sagt Professor Dr. med. Frederik Wenz, Geschäftsführer und Ärztlicher Direktor der UMM, und betont: „Diese Kompetenz stellen wir auch anderen Krankenhäusern und niedergelassenen Onkologen zur Verfügung.“ Weitere OncoBEAM-Tests – beispielsweise bei Lungenkrebs oder schwarzem Hautkrebs – sind laut Sysmex in Entwicklung, bzw. werden an der UMM bereits in wissenschaftlichen Studien eingesetzt.