Maruba 3SKRN 5DEMA

SHS - Ex-Nationalspieler Fischer trainiert in JVA

klaus fischer Copy
(Foto: SHS) Klaus Fischer zu Gast in der JVH Herford - "Ziele setzen - nie aufgeben."

„Ziele setzen und nie aufgeben“ – Klaus Fischer zu Gast in der JVA Herford
Fischer hat den Strafgefangenen eine Botschaft hinterlassen: „Man muss sich Ziele setzen und darf nie aufgeben“
Manchmal reichen schlichte Worte, um tiefgründigen Gefühlen Ausdruck zu verleihen. „Hier in der Freiheit ist es eindeutig besser“, sagt Klaus Fischer und blinzelt in den blau-weißen Nachmittagshimmel über Herford. Nach dem Regen am Morgen zeigt sich der Spätsommer in Ostwestfalen nun von seiner schönsten Seite. Der 45-malige Nationalspieler trägt mit ernster Miene seine Sporttasche zum Auto und lässt die Mauern der Justizvollzugsanstalt (JVA) der 66.000-Einwohnerstadt hinter sich. Während er sich auf den Weg zurück in die vertraute Welt im heimatlichen Gelsenkirchen macht, bleibt den Spielern der Mannschaft, die er gerade besucht hat, der Gang in die Freiheit noch eine Zeit lang verwehrt. Sie haben Verbrechen begangen, wurden allesamt nach Jugendstrafrecht verurteilt und sitzen nun ihre Haftzeit ab. Ihre Welt ist momentan geprägt von Mauern, Stacheldraht und Gittern.
Fischer hat diese Atmosphäre nicht kalt gelassen. „Es ist schon eine schwierige Situation.“, meint er. In der JVA war er als Repräsentant des FC Schalke 04. Der Klub hat im Rahmen der bundesweiten Initiative „Anstoß für ein neues Leben“ der Sepp-Herberger-Stiftung und der Bundesagentur für Arbeit die Patenschaft über das Fußballteam in Herford übernommen. Fischer hat nicht nur eine Trainingseinheit geleitet und Hände geschüttelt. Er hat den Strafgefangenen eine Botschaft hinterlassen. „Man muss sich Ziele setzen und darf nie aufgeben“, hat er gesagt und damit die jungen Männer erreicht. Das haben sie mit ihrem spontanen Applaus deutlich gemacht.

Rückschläge überwinden

klaus fischer 2 Copy
(Foto: SHS) Fischer erzählt den Jungs aus der JVA von seine Rückschlägen un Erfolgen.

Fischer erzählt den Jungen aus der JVA Herford von seiner Karriere, seinen Rückschlägen sowie Erfolgen.
Zuvor hat der langjährige Fußballprofi ihnen von seiner Karriere erzählt. Von Titeln, Toren und Triumphen bei 1860 München, dem VfL Bochum, 1. FC Köln, Schalke 04 und der Nationalmannschaft hat er berichtet. Von zwei Pokalsiegen und der Vize-Weltmeisterschaft 1982 in Spanien. Und von seinen Fallrückziehern, die man bis heute mit seinem Namen verbindet, weil sie so spektakulär waren, dass sie sich in das kollektive Gedächtnis des deutschen Fußballs eingebrannt haben. Einer dieser Kunstschüsse gelang dem gelernten Glasbläser 1977 in einem Länderspiel gegen die Schweiz. Der Treffer wurde später sogar zum Tor des Jahrhunderts gewählt.
Mindestens genauso gebannt hören die Inhaftierten aber zu, als Fischer von seiner Kindheit ohne jeden Luxus in einem kleinen Ort im Bayerischen Wald und von den Rückschlägen im Verlaufe seiner langen Karriere erzählt. Von Verletzungen und Zeiten als Ersatzspieler. Denn mit Rückschlägen kennen sich die jungen Männer besser aus, als ihnen lieb ist. Die meisten haben eine Vergangenheit hinter sich, in der wenig glatt gelaufen ist. Ein fatales Umfeld und falsche Entscheidungen haben sie in die JVA geführt. Fischer sagt: „Es ist immer schwerer nein zu sagen, als ja zu sagen. Wenn meine Mitspieler mich abends zum Ausgehen überreden wollten, habe ich nein gesagt, bin daheim geblieben und war am nächsten Tag ausgeruht.“ Nur so habe er seine sportlichen Ziele erreichen und so lange auf höchstem Niveau spielen können. „Und noch eines sage ich Euch“, fährt Fischer fort, „es gibt immer Rückschläge, aber man muss nach vorne schauen, dranbleiben. Geschenkt wird dir nichts im Leben.“ Als er diese Worte spricht, wird seine Stimme laut und seine blauen Augen leuchten. Jeder merkt, das sind keine Worthülsen. Fischer, der sich heute in einer Fußballschule engagiert, lebt diese Sätze.

Fußball, um den Kopf frei zu bekommen
„Er ist von der alten Schule. Mega authentisch, absolut beeindruckend“, sagt Mike, der in Wirklichkeit anders heißt. Noch anderthalb Jahre muss er absitzen. Körperverletzung, sagt er, sei der Grund für seine Verurteilung. Die Worte des 69-jährigen Fischer und die gemeinsame Trainingseinheit haben ihm Mut gemacht und in seinem Bestreben bestärkt, wieder im Verein Fußball zu spielen, wenn die Zeit in der JVA vorüber ist. „Im Moment bin ich froh, dass ich beim Anstoß-Team dabei bin“, sagt er. Fußball sei wichtig, um den Kopf frei zu bekommen.
Die gemeinsame Trainingseinheit mit dem Ex-Nationalspieler gab den jungen Insassen Mut und bestärkte sie wieder im Verein Fußball zu spielen.
Das sieht auch Mehmet so. Der 22-Jährige heißt ebenfalls anders. Er sitzt wegen bewaffneten Raubüberfalls und hat es wie die anderen durch gute Führung ins Team der Anstoß-Initiative geschafft. Fußball, sagt er, brauche er, um fit zu bleiben, sich auszupowern.

klaus fischer 3 Copy
(Foto: SHS) Die Trainingseinheit mit Klaus Fischer gab den jungen Insassen neuen Mut.

Orhan Simsek hält das für eine wichtige Sache. „Beim Sport können die Jungs ihren Frust abbauen, müde und ausgeglichen werden“, sagt der Sportbeamte, der die Fußballer hinter Gittern betreut. Hinzu kommen die Privilegien, die die Sportler genießen, betont sein Kollege Markus Goertz. Jede Minute auf dem Fußballplatz oder in der Sporthalle sei für die Inhaftierten eine willkommene Abwechslung. Turniere und eben auch der Besuch eines prominenten Gastes, der wie Fischer 535 Bundesligaspiele absolviert hat, seien Highlights im tristen Gefängnis-Alltag, unterstreicht der 45-jährige Sportbeamte. Hinzu kommt noch eine andere Komponente. „Ein Mannschaftssport ist gut für die Teamfähigkeit im späteren Job und man lernt, sich an Regeln zu halten“, sagt Carmen Große-Tebbe von der Agentur für Arbeit, die die Spieler der Mannschaft in Sachen Ausbildung und Berufswahl berät.

An Unterstützung fehlt es den Inhaftierten also nicht. Die entscheidenden Schritte müssen sie jedoch selbst machen, um eines Tages mit guten Perspektiven die Mauern der JVA hinter sich zu lassen und den blau-weißen Himmel für immer in Freiheit genießen zu können.

Pressemeldung: Sepp-Herberger-Stiftung