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Die Sportwoche erinnert an den 29. April 1972

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Uli Hoeneß jubelt über sein Tor zum 0:1; die englischen Spieler lassen die Köpfe hängen

Heute vor 50 Jahren gewann zum ersten Mal eine deutsche Fußball-Nationalmannschaft in England.
(GM) Der 29. April 1972 ging in die Geschichtsbücher des deutschen Fußballs ein. Zum ersten Mal konnte eine deutsche Nationalmannschaft gegen die Three Lions im Wembley-Stadion gewinnen, in dem traditionell die Heimspiele des englischen Nationalteams ausgetragen wurden.

Es war das Viertelfinal-Hinspiel der Europameisterschaft 1972, die damals noch einen anderen Austragungsmodus hatte; erst ab dem Halbfinale wurde eine Endrunde im KO-System gespielt. Die Ausgangssituation für das deutsche Team war alles andere als optimal, der FC Bayern München, von dem insgesamt sechs Akteure in der deutschen Mannschaft standen, schwächelte in den Wochen zuvor und zudem wirkte das Halbfinal-Aus im Europapokal der Pokalsieger – gegen die Glasgow Rangers – noch nach. Außerdem gab es aufgrund von Verletzungen Ausfälle wichtiger Spieler, wie Wolfgang Overath, Berti Vogts, Wolfgang Weber und Karl-Heinz Schnellinger.

Daher waren die Erwartungen auch nicht besonders hoch, doch an diesem Abend wurde in Wembley das Team geboren, das heute noch als die beste deutsche Elf aller Zeiten gilt. Sicher wird m Rückblick manches verklärt, Tatsache ist aber, dass es eines der besten Spiele war, die je eine deutsche Nationalmannschaft abgeliefert hat. Junge, rotzfreche Spieler, wie Uli Hoeneß und Paul Breitner, die keinen falschen Respekt vor großen Namen hatten, im Verbund mit erfahrenen Kräften wie Horst-Dieter Höttges, Jürgen Grabowski und Sigi Held, der damals sogar in der zweitklassigen Regionalliga aktiv war, plus ein an diesem Abend genial aufspielender Günter Netzer, unterstützt von „Hacki“ Wimmer, erteilten den Engländern, in deren Reihen immerhin Größen standen, wie Bobby Moore, Gordon Banks, Alan Ball, Geoffrey Hurst und Martin Peters, eine Lektion in modernem Fußball, die weltweit für Ver- und Bewunderung sorgte.

Nachdem die Anfangsnervosität abgelegt war, erarbeitete sich die deutsche Mannschaft immer mehr Spielanteile. Netzer kam ein ums andere Mal mit Riesenschritten „aus der Tiefe des Raumes“, pflügte durchs Mittelfeld und riss Löcher, die die Engländer nur schwer stopfen konnten. Die zunehmend offensive Spielweise der Deutschen überraschte die Engländer und das 0:1 durch Uli Hoeneß, nach Vorarbeit von Sigi Held und Gerd Müller, schien fast die logische Konsequenz. Zwar verstärkte der Weltmeister von 1966 in der zweiten Halbzeit den Druck auf das deutsche Tor und kam durch Lee auch zum Ausgleich, aber die deutsche Mannschaft, die spürte, dass sie an diesem Abend das bessere Team war, dachte gar nicht daran, sich mit einem Unentschieden – worüber man vor dem Spiel noch glücklich gewesen wäre - zufriedenzugeben.

Angetrieben vom Wechselspiel zwischen Beckenbauer und Netzer, „Ramba-Zamba-Fußball“, wie es die Presse hinterher bezeichnete, blieb das Team von Bundestrainer Helmut Schön offensiv. In der 84. Minute, konnte sich Weltmeister Bobby Moore gegen den durchbrechenden Sigi Held nur mit einem Foul behelfen und Schiedsrichter Robert Héliès aus Frankreich entschied folgerichtig auf Elfmeter. Günter Netzer schritt zur Ausführung und obwohl Gordon Banks, Englands wohl bester Torhüter aller Zeiten, in die richtige Ecke flog, konnte er den Einschlag nicht verhindern.

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Günter Netzer schießt, Gordon Banks fliegt - aber vergebens

Erneut führte die deutsche Mannschaft und als zwei Minuten vor dem Abpfiff – natürlich – Gerd Müller zum 1:3 traf, war nicht nur die Partie entschieden, sondern auch eine „Wunderelf“ geboren, die wenige Wochen später ebenso souverän die Europameisterschaft in Belgien gewann – den ersten großen Titel für Deutschland seit der Weltmeisterschaft 1954. Übrigens war auch im Finale von Bern die 84. Minute die entscheidende gewesen.

Nach 1972 gewann die deutsche Fußball-Nationalmannschaft noch zwei weitere Male die EM, 1980 und 1996. Auf dem Weg dahin gab es viele große Spiele – auch gegen England – aber der Auftritt der deutschen Mannschaft, am Abend dieses 29. April 1972, steht zu Recht ganz oben auf der Liste der besten Länderspiele in der Geschichte des deutschen Fußballs.