Im Netz kursiert ein böses Foto, das den Nagel auf den Kopf trifft: Platzordner halten einen Mann fest. Darüber steht sarkastisch:"Hässliche Szenen aus Mannheim. Ordner zwingen Fan, das Spiel bis zum Schluß zu gucken" . Kein Bild könnte die Lage beim Drittligisten besser zeigen.
Wenn ein Trainer von "Bock umstoßen", "Ärmel hochkrempeln" oder "Aufgeben gibt´s nur bei der Post" spricht, dann läuten bei den Fans die Alarmglocken. Mit nur einem Sieg aus den vergangenen sieben Partien steht Rüdiger Rehm mit dem SV Waldhof Mannheim erstmals in der 3.Liga auf einem Abstiegsplatz. Noch nie seit dem Aufstieg vor vier Jahren treten die Probleme des Traditionsvereins so offen zutage wie jetzt. Die legendäre Heimstärke gehört der Vergangenheit an. Als Kandidat für einen vorderen Platz angetreten, präsentiert sich die Elf in ihrer momentanen Verfassung als angehender Regionalligist. Der Trainer selbst scheint ratlos, wenn er gefragt wird, wie es weitergehen soll: "Das wird sich zeigen" so Rehm vor der Presse.
Die Offensive spielt ohne Automatismen und Ideen, das Mittelfeld ist Ligaspitze bei Fehlpässen und in der Abwehr besitzt die Mannschaft keine Stabilität. In 18 Begegnungen saisonübergreifend hat der SVW nicht "zu Null" gespielt. Die Qualität des Kaders zählt zum Schwächsten, was die "Buwe" seit der Rückkehr an die Geldtöpfe des Profifußballs aufs Feld schicken. Und die wenigen erfahrenen Führungsspieler wie Marcel Seegert sitzen selbst wegen aktueller Formschwäche auf der Bank. "Wir brauchen Spieler, die jetzt in die Bresche springen müssen", hofft der Übungsleiter - bisher allerdings vergebens.
Das sportliche Drama des SV Waldhof Mannheim begründet sich letztlich im gescheiterten Versuch, einer anfälligen Verteidigung, die bereits 22 Tore zugelassen hat, Halt zu geben. Der 44jährige Rehm sorgt zudem mit andauerndem Systemwechsel für zusätzliche Verwirrung bei der ohnehin verunsicherten Truppe. Beim jüngsten Spiel gegen Dortmund II schlichen die Akteure schon vor dem Anpfiff mit hängenden Schultern auf den Rasen.
Aber nicht nur der Trainer muss sich Vorwürfe aus der Fankurve anhören. Auch der 33jährige Sportchef Tim Schork hat seinen Kredit aufgebraucht. Er hatte in der vergangenen Saison den Job, ein Team zusammenzustellen, das zweitligatauglich sein sollte. 13 ablösefreie (!) Abgänge, darunter herausragende Spieler wie Dominik Matinonvic, Adrien Lebeau, Alexander Rossipal, Marco Höger oder Stefano Russo sowie das Karriereende von Marc Schnatterer konnten nicht kompensiert werden und haben die Aufstiegsträume zerplatzen lassen. Kenner des Clubs wissen, dass einige wichtige Spieler hätten gehalten werden können, wenn man nur rechtzeitig mit ihnen gesprochen hätte. Aber seit Jahren kehren Leistungsträger dem Alsenweg den Rücken, weil die Kommunikation mit der Vereinsführung fehlt. Nun steht der Sportgeschäftsführer auf dem Prüfstand, gehen Qualitätsverlust und kostspielige Tranferflops wie Daniel Keita-Ruel oder Berkan Taz letztlich auf sein Konto.
Präsident und Mäzen Bernd Beetz, dessen Kapital den Verein am Leben hält, hat das Budget auf zwei Millionen Euro gekürzt. Bei einem Aufstieg wäre dieser harte Schnitt wegen der deutlich höheren TV-Gelder in der Zweiten Bundesliga nicht notwendig gewesen. Beetz äußerte auch offen Unzufriedenheit über den Gemeinderat Mannheims. Der zeigt mehrheitlich dem Wunsch nach einem neuen Stadion die kalte Schulter. Die dauerhaft roten Zahlen der hochverschuldeten Spielbetriebs-Gesellschaft hängen nicht zuletzt auch mit der Tätigkeit von Geschäftsführer Markus Kompp zusammen. Ihm ist es in sieben Jahren trotz Wachstumssprüngen im Merchandising und Ticketing nicht gelungen mit dauerhaften Sponsorenverträgen den Club in die Gewinnzone zu führen.
Unzählige Arbeitsgerichtsprozesse, die gekündigte SVW-Mitarbeiter nicht zuletzt wegen mangelnder Führungsqualitäten in der Vereinsspitze führten und gewannen, belasten die lädierte Kasse. Im bekanntesten Fall ging es vor einem Jahr um den fristlos gekündigten Sportlichen Leiter Jochen Kientz. Der Drittligist musste alle gegen Kientz erhobenen Vorwürfe fallen lassen und eine sechsstellige Entschädigung nachzahlen. Auch die hohen Geldstrafen des DFB wegen verbotener Pyrotechnik im Stadion sorgen für Löcher in den Finanzen. Allein in dieser Saison schlagen bereits 80 000 Euro zu Buche.
Das Ergebnis: mit der Leistung des aktuellen Teams und einem offenbar ratlosen Trainer könnte der SV Waldhof geradewegs in Richtung Unterklassigkeit trudeln. Noch 26 Partien sind offen. Führungsspieler Bexter Bahn hat die Hoffnung noch nicht aufgegeben. „Grundsätzlich geht es in der 3. Liga darum, eklig zu sein. Wir müssen künftig mehr rackern, mehr ackern und mehr Zweikämpfe gewinnen", kündigte er jetzt vor der Presse eine härtere Gangart der Elf an. Und im Dezember haben die Blau-Schwarzen eine große Chance, den „Bock umzustoßen“: gleich drei Heimspiele sowie ein Fast-Heimspiel im naheliegenden Sandhausen.
Wolf H. Goldschmitt