Interview mir Herrn Pfarrer Friedel Goetz vom 12. Mai 2025
Roland Weber und Sabine Schilling klingeln an der Haustür Werderplatz 16 und Friedel Goetz öffnet die Tür in grünen Shorts, einem lässigen, dunklen Sweat-Shirt und Turnschuhen. Roland Weber, der Gründer der Facebook Gruppe „Bilder aus Mannheim“, die mittlerweile über 22.000 Mitglieder zählt und nun seit drei Jahren besteht, stellt diese kurz vor und nennt Regeln und gegenseitigen Respekt, was eingehalten werden muss, als das Rezept für den großen Zulauf bzw. Erfolg dieser einzigartigen Gruppe. Und da sind wir auch schon mittendrin im Thema, denn Regeln sind auch in der Kirche einzuhalten bzw. überall, wo Menschen aufeinandertreffen und es um ein gutes Miteinander geht. Auf die erste Frage von Sabine Schilling, wie man es schaffe, 200 bis 250 Menschen am Sonntagmorgen in die Kirche zu bringen, erklärt Friedel Goetz, dass Menschen aus ganz Mannheim und Umgebung kommen, da die Christuskirche eine große Anziehung habe. Dabei verweist Goetz auch auf die gute Qualität der einzigartigen Orgelmusik. Außerdem besteht eine Kooperation mit dem Kindergarten und der moderne Pfarrer nutzt gerne die öffentlichen Medien, um thematisch zu seinen Gottesdiensten einzuladen, diese mit ganz speziellem Focus abzuhalten, so z. B. zum Erntedankfest oder am 08.05.2025 zum Ende des 2. Weltkrieges vor 80 Jahren. Dabei ist es dem 38-Jährigen wichtig, dass die Kirche einlädt unterschiedliche Menschen in Beziehung zur Kirche zu gehen und nicht zu belehren. Das gemeinsame Anliegen ist, Orientierung in dieser Welt zu finden. Ist Goetz ein Einzelfall in der Kirche? Angesprochen auf die unkonventionelle Art und das lockere Auftreten – in manchen Zeitungsartikeln wird er „der schöne Pfarrer genannt“ – antwortet dieser, er habe sich nie als ein anderer verstanden, als er jedoch angefangen habe für die Kirche zu arbeiten, wurde ihm schon sehr schnell klar, dass er aufgrund seiner Lebensart vielleicht nicht Autorität, die klassische kirchliche Erwartung erfüllt. Dadurch kommt er mit vielen Menschen in Kontakt, mit denen er sonst in der Kirche nichts zu tun hätte. Dabei geht es darum, Brücken zu bauen zwischen unseren Traditionen, unserer Vergangenheit hin zu aktuellen Lebenssituationen. Dies sieht Goetz als die eigentliche Aufgabe der Kirche. Genauso legt er Wert auf den Austausch zwischen den Menschen, denn dieser hat eine große Qualität und gibt immer Stabilität. So ist der evangelische Pfarrer auch bei Unternehmenstreffen vor Ort dabei und erfährt dadurch eine andere Zuschreibung. Friedel Goetz arbeitet nicht nur an seinem Schreibtisch, von der Kanzel aus, als Religionslehrer in der Oststadtschule und als systemischer Couch, sondern auch als Polizei- sowie Hafenseelsorger. Nachdem der Vater bereits als Polizeiseelsorger tätig war, hat er schon frühzeitig erkannt, dass Polizisten „eigentlich ganz normale Menschen sind“, Menschen, die in Extremsituationen agieren müssen. So hat er sich vor ca. 5 Jahren entsprechend engagiert. Natürlich unterliegt er der Schweigepflicht und verfügt über das Aussageverweigerungsrecht. Für die Berufsanfänger bietet er durchgängig Perfektionstage an. Man unterstützt sich gegenseitig in dem, was man macht - etwas sehr Wichtiges für unsere Stadt. Aufgrund der schweren Situation im letzten Jahr und der Abschiedsgottesdienst für Rouven Laur, den ihn – genauso wie die Mannheimer Bürger sehr stark berührt hat, hat sich eine ganz andere Vertrauensbasis aufgebaut und lässt – so Goetz – die Menschen zusammenwachsen. Wohltuend empfand er die Stadtpolitik, die involviert war und das Gefühl, dass man für die Menschen in Mannheim das „hinkriegen“ muss. Und hier kommt wieder das Wort „Respekt“ ins Gespräch. Die Beamten sollten wissen, dass man nicht immer alles perfekt machen kann – gerade, wenn man schnell entscheiden muss aber dass man gesehen und respektiert wird. Als Hafenseelsorger ist Götz mit Bootsführerschein und Kirchenschiff – davon gibt es 2 Stück in Deutschland, eines in Duisburg und eines in Mannheim - unterwegs. Allerdings haben sich die Zeiten hier sehr verändert. Die Schiffer sind unter dauerndem Zeitdruck, das Ent- und Beladen muss in kürzester Zeit erledigt werden – viel Zeit für ein Gespräch bleibt da nicht mehr. Auch ist das Personal viel weniger geworden und kaum noch deutschsprachig. Bei der Mucki Bude „Sportstudio Jungbusch“ trainiert der junge Pfarrer – früher regelmäßiger. Jetzt ist das Fußballspielen durch seine Kinder mehr in den Vordergrund gerückt. Dabei weiß Goetz das jahrzehntelange, soziale Engagement von Rudi Gehrig im Jungbusch sehr zu schätzen, nennt ihn als Beispiel für gutes Miteinander verschiedener Charaktere und zitiert gerne auch hier Rudi‘s Leitspruch: „Regeln und Respekt“ – nicht viele – jedoch auch Unabgesprochene und damit ist er wieder bei der Glaubensfrage. Man braucht nicht nur Vorgaben – man muss es auch selbst wollen. Hieraus kann man eine Lebenshaltung entwickeln aus eigenem Wunsch, aus eigenem Willen. Wenn man die Bedeutung des Wortes „Respekt“ verstanden hat, kommt man auch in der Welt zurecht – egal ob reich oder arm. Mit dem großen Lebensstil unserer Zeit, glaubt Goetz, tut man sich keinen Gefallen. Vielmehr solle man Dinge in sein Leben integrieren, die für einem selbst gut sind und die auch keinem anderen schaden. „Liebe Dich selbst und Deinen Nächsten“. Es ist nicht nur die individuelle Power, die persönliche Performance, sondern die Gemeinschaft, die uns trägt. Von life-work-balance hält der fleißige Pfarrer nichts, denn, wenn er am Wochenende arbeitet, ist dies keine verlorene Zeit. Vielmehr sollte man seine Arbeit wertvoll gestalten, in der verrückten Welt mit sich selbst im Reinen bleiben und in seiner Arbeit stets die schönen Momente sehen statt diese als Belastung zu empfinden – auch wenn es manchmal anstrengend ist. Im Alltag innehalte, schauen, wo man steht, was man tun kann und will bzw. was nicht, und zwar nicht nur, wie man sportlicher wird oder mehr Geld verdienen kann, sondern innerlich aufzuräumen, seine Lebenspraxis zu überdenken und Rituale zu pflegen. Den zweiten Teil der Pfarrerausbildung, das so genannte Vikariat hat Goetz in der Citykirche Konkordien in Mannheim absolviert. Hierzu zieht er folgendes Resümee: „Ich denke, man kann nur ein guter Pfarrer sein, wenn man ganz Mannheim kennt“. So will er die Christuskirche, eine der wenigen Kulturdenkmäler, die den 2. Weltkrieg überlebt haben, nicht als Kirche der Oststadt verstanden wissen, sondern als Kirche für Mannheim, als starke Gemeinschaft. Bei dem Thema der Kirchenaustritte in Deutschland im Jahr 2024 - die Kirchen haben insgesamt mehr als eine Million Mitglieder verloren – fällt erneut das Wort „Respekt“, denn genau der ist es, der ihm fehlt – der Respekt gegenüber den Kirchen. Natürlich müsse die Kirche auch ihre Hausaufgaben machen, die Kirche ist lediglich das Wort, das aus 6 Buchstaben besteht, vielmehr sollte man anerkennen, was Menschen tun, die Verantwortung für diese Welt übernehmen in dem sie die kleinen Dinge tun. Oft würde in der Kirche das verstanden, was erzählt würde, was die Leute allerdings als Menschen machen, ist noch einmal eine ganz andere Liga. Zu zeigen, dass man Christ/in ist, heißt, dass wir eine Lebensform von unseren Vorfahren haben, weiterzutragen. Spannend bleibt es auf jeden Fall, wie es in den nächsten Jahren weitergehen wird, ob man wieder erkennt, welche Kraft die Kirche haben kann, wenn man sie mitgestalten kann und etwas entsteht, was allen guttut. Einen Unterschied zwischen katholisch und evangelisch beschäftigt ihn eher weniger. Die Zusammenarbeit ist ihm wichtig, denn man komme aus derselben Wurzel, die für Liebe und Frieden steht und dies ist die Aufgabe, dies an die Gesellschaft weiterzugeben. Mehr kommen die Mannheimer Bürger mit der Frage, wie leben wir mit Muslimen, Juden, Atheisten und anderen Konfessionen zusammen? Jeder Mensch selbst muss seinen Glaubensweg wählen. Eine friedliche Gemeinschaft, die ausbalanciert werden will. Bei seinem Theologiestudium in Berlin, München, Heidelberg und insbesondere in Rom, hat sich Goetz intensiv mit der katholischen Kirche auseinandergesetzt. Die dogmatische Lehre des Glaubens entspricht nicht seinen Vorstellungen. Zur Papstwahl sagt er, dass er glaube, dass wir alle Kinder Gottes sind und es keine Hierarchie geben sollte. Pfarrer sind eine Art Lebensberater, zu denen die Menschen kommen können, so machte er nicht nur Buisnesscouching, sondern probiert sich als systemischer Couch, was er als absolute Bereicherung für sich selbst sieht, um zu verstehen, dass wir eben in einem System leben. Als Couch will er nicht, dass man ihm nachspricht, sondern aus den Gesprächen heraus seinen eigenen Auftrag erkennt, ein spirituelles Leben zu führen und es auch selbst zu gestalten. Auf die abschließende Frage, ob die Kirche zur Corona Zeit hätte mehr tun können oder müssen, will er nicht richten; ob er glaubt, dass man es ein nächstes Mal vielleicht besser machen könne, antwortet Goetz... „wenn die Menschen lernen würden, gäb‘ es keine Kriege mehr“…
Interv. Sabine Schilling-