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Zum 100. Geburtstag von FRITZ WALTER

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(Foto: Motiv einer Autogrammkarte aus den 90er Jahren)

Vor einhundert Jahren wurde Fritz Walter geboren, der Mann, dessen Name jahrzehntelang als Synonym für Fußball stand. Er war das Vorbild für Generationen von Fußball spielenden Jungen; nicht zuletzt für Franz Beckenbauer, der als Bub, bei Spielen zwischen Straßenmannschaften, immer Fritz Walter sein wollte.

Der am 31. Oktober 1920 in Kaiserslautern geborene Fritz Walter kam als achtjähriger Junge zum 1.FC Kaiserslautern und verbrachte seine gesamte Fußballerlaufbahn bei den Roten Teufeln, obwohl immer wieder finanziell verlockende Angebote italienischer, spanischer oder französischer Vereine an ihn herangetragen wurden. Die Verbundenheit zu seiner Heimatregion, zu seinem Verein, zur Nationalmannschaft und seinem Förderer Sepp Herberger, erwiesen sich jedes Mal als stärker.

Bereits mit 17 Jahren spielte er in der erste Mannschaft des 1.FCK, mit dem er später zweimal (1951 und 1953) Deutscher Meister wurde. Mit noch nicht ganz zwanzig Jahren wurde er in die Nationalmannschaft berufen und erzielte bereits bei seinem ersten Einsatz drei Tore – beim 9:3-Sieg über Rumänien. Der 2. Weltkrieg bedeutete einen tiefen Einschnitt im Leben und in der Karriere von Fritz Walter. Er infizierte sich während des Krieges mit Malaria und hatte danach zeitlebens Atemprobleme wenn im Sommer große Hitze herrschte. War das Wetter kühl und regnerisch, fühlte er sich dagegen sehr wohl, woher sich dann auch der Begriff „Fritz-Walter-Wetter“ herleitete.

Dieses Wetter zog auch auf, als es am 4. Juli 1954, im WM-Finale von Bern, gegen die hochfavorisierte Mannschaft Ungarns, um die Fußball-Weltmeisterschaft ging. War der Deutschland vier Jahre zuvor, als „Kriegsanstifter“ noch von einer WM-Teilnahme ausgeschlossen, kämpfte sich das deutsche Team bei der Endrunde in der Schweiz bis ins Finale. Ohne realistische Erwartung auf einen Sieg, lag dort die Mannschaft um Fritz Walter bereits nach neun Minuten 0:2 in Rückstand, ehe eine ungeahnte Aufholjagd begann. Nach weiteren neun Minuten hatte Deutschland durch Tore von Max Morlock und Helmut Rahn ausgeglichen und bot den mittlerweile entnervten Ungarn auch in der zweiten Halbzeit einen ausgeglichenen Kampf. Unter der klugen Regie Fritz Walters, dessen Radius vom eigenen bis zu des Gegners Strafraum reichte, legte die deutsche Mannschaft immer mehr den Respekt vor dem jahrelang ungeschlagenen Gegner ab, wurde selbstbewusster, bis … ja, bis Helmut Rahn in der 84. Minute aus dem Hintergrund schoss – und zum 3:2 traf.

Fritz Walter war – obwohl bereits 34 Jahre alt – immer noch einer der besten Mittelfeldspieler der Welt und präsentierte sich während der gesamten WM in bestechender Form. Und das trotz seiner hohen Sensibilität, die ihn auch immer wieder an sich und seinem eigenen Können zweifeln ließ. Sein Bruder, Ottmar, obwohl der Jüngere der beiden, musste dem „Friedrich“, mehr als einmal verbal in den Hintern treten, um ihn wachzurütteln, wenn dieser wieder einmal zu schnell die Felle davonschwimmen sah. So geschehen zum Beispiel im Finale der Deutschen Meisterschaft 1951, in Berlin, als der 1.FC Kaiserslautern gegen Preußen Münster in Rückstand geraten war. „Stell` dich nicht so an, Friedrich“, blaffte Ottmar Walter damals seinen großen Bruder an, der bereits resignieren wollte. „Reiß` dich zusammen. Das Spiel ist noch nicht verloren!“ Und so war es auch; am Ende gewann die „Walter-Elf“ mit 2:1.

Bei Fritz Walter war ich mehr Psychologe als Trainer“, erklärte daher auch Trainer Sepp Herberger öfters. Deshalb sorgte der „Chef“ auch dafür, dass im Hotel Belvédère, dem WM-Quartier der deutschen Mannschaft in der Schweiz, sein Kapitän mit dem eher unbekümmerten Helmut Rahn, von Rot-Weiß Essen, ein Zimmer belegte - das berühmte Zimmer 303. Helmut Rahn, das wusste der „Chef“, war immer in der Lage eventuelle schwere Gedanken Fritz Walters zu vertreiben und sei es durch das nachgeahmte Geschrei einer Essener Marktfrau, die „prima schnittfeste Tomaten und Oma-Lutsch-Birnen“ anbot.

Auch Fritz Walters Frau Italia konnte ein Lied von der Sensibilität ihres Ehemannes singen, der nach einem schlechten Spiel oft tagelang nicht ansprechbar war. Aber sie wusste auch, wie sie ihn starkreden konnte. Kaum war die deutsche Mannschaft in ihrem Hotel am Thuner See angekommen wurde Fritz Walter an der Rezeption ein Eilbrief seiner Frau überreicht, in welchem sie ihm versicherte: „Ich bin fest davon überzeugt, Ihr werdet der ganzen Welt zeigen, was Ihr könnt. Du wirst die Spiele Deines Lebens liefern, damit ich auch weiß, warum ich Dich so oft und so lange hab` hergeben müssen.“

Dass Italia Walters Worte ihre Wirkung nicht verfehlten, ist hinlänglich bekannt. Ihr Ehemann lieferte eine nahezu perfekte Vorstellung über das gesamte Turnier ab. Die internationale Presse war sich bei der Beurteilung von Fritz Walters Leistung einig: Weltklasse.
Sogar vier Jahre später, bei der Weltmeisterschaft in Schweden, wollte Sepp Herberger auf Fritz Walter nicht verzichten und so nahm sein Kapitän mit inzwischen 38 Jahren auch noch an der WM 1958 teil, wo er aber bei der Halbfinal-Niederlage gegen den Gastgeber so schwer verletzt wurde, dass er im Spiel um den 3. Platz nicht mehr eingesetzt werden konnte. Das Halbfinale war daher auch sein letztes Länderspiel; er beendete damit seine Karriere in der Nationalmannschaft, in der er über 15 Jahre lang spielte und insgesamt 61 Länderspiele bestritt und dabei 33 Tore schoss. Herbergers Versuch, ihn doch noch zu bewegen, auch noch an der WM 1962 in Chile teilzunehmen, schlug Fritz Walter aus.

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Autogramm Fritz Walters zum Geburtstag des Autors

Als Repräsentant von adidas konnte Fritz Walter seine Popularität auch über die aktive Karriere hinaus nutzen und dadurch wirtschaftlich sorglos leben. Zahlreiche Ehrungen wurden ihm zuteil, unter anderem die Ehrenbürgerschaft seiner Heimatstadt Kaiserslautern und des Bundeslandes Rheinland-Pfalz. 1985 erhielt das Stadion des 1.FC Kaiserslautern den Namen „Fritz-Walter-Stadion“, er bekam das große Verdienstkreuz der Bundesrepublik Deutschland verliehen und die goldene Verdienstmedaille des Fußball-Weltverbandes, er wurde erster Ehrenspielführer der Deutschen Nationalmannschaft, ein ICE der Deutschen Bahn wurde auf seinen Namen getauft und vieles weitere mehr. Kurz vor seinem 100. Geburtstag brachte die Deutsche Post eine Sonderbriefmarke heraus, deren Motiv Fritz Walter mit dem Jules-Rimet-Pokal zeigt – direkt nach dem gewonnenen Finale von Bern.

Der stets bescheiden auftretende Fritz Walter war respektiert sowohl von Mitspielern als auch Gegnern – ob auf nationaler oder internationaler Ebene. Nicht zuletzt sein Auftreten, wie auch das Auftreten der deutschen Mannschaft, während der Weltmeisterschaft 1954, verhalfen Deutschland, in den Jahren nach dem 2. Weltkrieg, wieder zu Ansehen in der Welt. Der damalige Titelgewinn geht weit über die Bedeutung eines großen sportlichen Erfolgs hinaus. Und trotz dreier weiterer siegreicher Weltmeisterschaften, wirkt der Titelgewinn von 1954 am intensivsten nach und ist am nachhaltigsten im Gedächtnis der Menschen verankert – genau wie der Name FRITZ WALTER selbst.

Gerhard Mertin