Stimmung nach 5:1-Sensation in Hamburg war gut, aber nicht euphorisch.
(GM) Natürlich sah man am Mittwoch im VIP-Raum des BWT-Stadions am Hardtwald nur zufriedene Gesichter bei den Verantwortlichen des SV Sandhausen. Der nie erwartet 5:1-Erfolg beim einstmals großen HSV, zum Saisonabschluss, war der positive Abschluss einer anstrengenden Saison – nicht zuletzt wegen der Corona-Krise.
„Wir sind ganz entspannt nach Hamburg gefahren“, berichtet Geschäftsführer Volker Piegsa, in der Pressekonferenz. „Der Klassenerhalt war gesichert und wir freuten uns auf das Spiel. Wir stellten uns vor, wenn das Stadion bei diesem Spiel voll gewesen wäre. Unsere Mannschaft war sehr schnell im Spiel, es lief gut. Aber was wir dann erlebten, hatten wir alle so noch nicht erlebt. Wir danken dem Trainerteam und der Mannschaft für diese Leistung. Wir haben richtig Reklame gemacht, für den SV Sandhausen und die Region.
Natürlich fühlt man mit dem Gegner mit, aber dieses Spiel stand deutschlandweit im Blickpunkt. Trotzdem soll das die anderen Spiele nicht abwerten. Die Spiele gegen Wehen Wiesbaden waren für uns genauso wichtig.“
Trainer Uwe Koschinat, der nach der Heimniederlage gegen Dynamo Dresden sehr enttäuscht war, sah diesmal ein anderes Gesicht seiner Mannschaft. „Wir hatten als Kollektiv einen herausragenden Tag erwischt. Für den HSV war der Druck zu groß, das hat sich dann in negativer Form gezeigt. Wir hatten einen Tag zuvor die hohe Niederlage des 1.FC Köln gegen Werder Bremen gesehen und uns gesagt, so etwas wie Köln darf uns nicht passieren. Das sind so Geschichten, die der Fußball schreibt. Im vergangenen Jahr haben wir Heidenheim den Aufstieg versaut und jetzt haben wir ihnen zur Relegation verholfen – das gehört nun auch zur gemeinsamen Geschichte der beiden Vereine.“
Mikayil Kabaca war vom Auftreten des Teams völlig beeindruckt. „Man muss sich das einmal vorstellen, in der 87. Minute – beim Stand von 4:1 - geht der SV Sandhausen in Hamburg auf`s 5:1. Das ist einzigartig.“
„Diese Saison ist sportlich hoch zu werten“, stellt Uwe Piegsa fest. „Der 10. Platz ist bisher unser bester Tabellenplatz zum Saisonschluss, in der 2. Bundesliga. Wir haben gegen Bielefeld, HSV und Stuttgart Punkte geholt. Trotzdem fragt man sich natürlich: Was wäre noch drin gewesen, wenn man nicht auch unnötige Punkte verloren hätte.
Die Saison hat uns, nicht zuletzt durch Corona, vor große Herausforderungen gestellt. 170 Leute, die für den Verein arbeiten, haben auf Gehalt verzichtet und waren in Kurzarbeit. Aber das war auch notwendig. Und wir wissen, dass dies nicht selbstverständlich ist. Dabei möchte ich mich auch bei unseren Sponsoren bedanken; wir haben gemerkt, man möchte uns helfen. Diesen Kredit werden wir irgendwann – in sportlicher Hinsicht – zurückzahlen.“
Mikayil Kabaca sieht das Saisonziel als erreicht an, vor allem, weil der SV Sandhausen nach etwas schwächeren Phasen innerhalb der Saison sofort wieder stärkere Phasen hatte und nennt als Beispiel dafür die Niederlage gegen Aufsteiger Osnabrück und das darauffolgende DFB-Pokalspiel gegen Mönchengladbach. „Wir hatten Gladbach am Rande einer Niederlage. Dieses Spiel hat mir gezeigt, was wir leisten können. Die 2. Liga ist sehr zusammen. Wir stehen jetzt auf Platz 10, hätten wir zwei Tore weniger geschossen, wären wir nur Zwölfter. So eng geht es in dieser Liga zu.“
Der Sportliche Leiter erinnert noch einmal daran, dass der Verkauf von Philipp Förster sportlich einen Nachteil bedeutete, aber finanziell nötig war. 3 Millionen Euro brachte der Transfer des Ex-Waldhöfers ein.
Für Uwe Koschinat ist die Saison „ganz einfach“ zusammenzufassen. „Die Basis für unsere Comeback-Qualitäten liegt in unserer inneren Stärke und in unserem ausgeprägten Team-Gedanken. Das schließt auch das Team hinter dem Team mit ein. Wir haben eine hohe Kontinuität im Trainerteam. Den Abgang von Philipp Förster konnten wir nicht kompensieren – es war uns eine Schlüsselposition weggebrochen. Als ich merkte, dass wir Philipp nicht Eins-zu-Eins ersetzen konnten, musste ich das Gesamtgefüge der Mannschaft verändern. Eine sehr emotionale Situation war für mich die Rote Karte für Dennis Diekmeier und die damit verbunden Niederlage gegen Aue. Nach seiner Sperre kommt Dennis zurück und schießt prompt das Siegtor gegen Wehen Wiesbaden – sein erstes Tor als Profi. Solche Momente schweißen zusammen.“
Der neuen Saison, die am 11. oder 18. September beginnen wird, sieht man am Hardtwald zuversichtlich entgegen. Testspiele zwischen der 1. und 3. Liga können vereinbart werden. In die Vorbereitung startet der SV Sandhausen am 27. Juli.
Von fünf Spielern wird sich der SVS trennen, entweder weil Verträge ausgelaufen sind oder weil man eine sportliche Entwicklung nicht mehr gesehen hat, wie Mikayil Kabaca erklärt – unter anderem gehören Rúrik Gíslason und Leart Paqarada zu den Abgängen.
Mit Diego Contento wurde der erste Neuzugang bereits vermeldet, ebenso die Vertragsverlängerung von Tim Kister. Zwei Offensivkräfte sollen noch verpflichtet werden; überhaupt sieht man beim SVS vor, jede Position möglichst doppelt zu besetzten.
Über das sportliche Ziel spricht abschließend dann noch einmal Uwe Piegsa. „Wir möchten künftig nicht nur über den Klassenerhalt sprechen. Wir streben grundsätzlich einen einstelligen Tabellenplatz in der 2. Bundesliga an und möchten uns in Deutschland unter den Top-25 etablieren. Vielleicht passiert das in der kommenden Saison bereits. Wenn nicht, dann eben in der Saison darauf.“
Uwe Koschinat, der vor dem Hamburg-Spiel die Saison auf einer Skala von 1 bis 10, noch mit einer 5 bewertet hatte, korrigiert seine Bewertung noch leicht. „Also gut, inzwischen bin ich bereit, eine 6 zu vergeben – mehr aber auch nicht.“ Der Coach bestätigte damit erneut, dass er hohe Ansprüche an sich selbst stellt.