Die finanzielle Lage der Krankhäuser wird immer bedrohlicher / Bundes- und Landespolitik sowie Krankenkassen sind gefordert, ihrer Finanzierungspflicht nachzukommen / Vorschaltegesetz überfällig
Die finanzielle Lage der Krankhäuser wird immer bedrohlicher, stellt die Baden-Württembergische Krankenhausgesellschaft (BWKG) alarmiert fest und ruft Kliniken im Land gesammelt dazu auf, auf ihre missliche Lage aufmerksam zu machen. Diesem Ruf folgend legten die Neckar-Odenwald-Kliniken und die GRN Gesundheitszentren in einer gemeinsamen Pressekonferenz ihre Zahlen offen und richteten mit Unterstützung der Landräte Stefan Dallinger (Rhein-Neckar-Kreis) und Dr. Achim Brötel (Neckar-Odenwald-Kreis) klare Forderungen an die Bundes- und Landespolitik.
Ein Defizit in Höhe von 27,4 Millionen Euro schreiben die GRN Gesundheitszentren für das Jahr 2023. Die Neckar-Odenwald-Kliniken verbuchten im selben Jahr 2,7 Millionen Euro Miese und rechnen für 2024 mit einem Defizit im zweistelligen Millionen-Bereich. Ein Trend, der sich bundesweit durchzieht. Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) beziffert das Defizit der Kliniken in Deutschland für das Jahr 2023 auf 9 Milliarden Euro, die BWKG beziffert für Baden-Württemberg über 670 Millionen Euro. Auch für 2024 wird die Situation nicht optimistischer gesehen. 85 Prozent der Kliniken gehen davon aus, das Jahr 2024 mit einem Defizit abzuschließen. Die BWKG rechnet für 2024 mit einem Rekorddefizit der Kliniken in Baden-Württemberg von 900 Millionen Euro.
Der Grund dafür: „Die Kosten steigen stärker als die Erlöse. Krankenhäuser haben aber – anders als gewinnorientierte Betriebe – nicht die Möglichkeit, die Erlöse den inflationsbedingten Kosten anzupassen“, sagt Stefan Dallinger, Landrat für den Rhein-Neckar-Kreis.
Erheblich zum Defizit bei trägt die Berechnung der Krankenhaus-Erlöse. Kliniken schätzen jeweils im Voraus für das kommende Jahr die Fallzahlen und handeln mit den Krankenversicherungen ein voraussichtliches Jahres-Budget aus. Sind hinterher mehr Fälle behandelt worden als zuvor berechnet, zahlen Kliniken für jeden zusätzlich behandelten Patienten 65 Prozent der eingenommenen Erlöse an die Krankenkassen zurück.
Andersherum: Werden weniger Patienten behandelt als zuvor geschätzt, gibt es eine kleine Entschädigung für angefallene Fixkosten wie vorgehaltenes Personal. Diese deckt aber bei weitem nicht die tatsächlich angefallenen Kosten.
Weitere Kostentreiber sind die zunehmende Inflation in Folge des Krieges in der Ukraine, weiterhin bestehende Preisanstiege bei Produktionsgütern und Rohstoffen sowie die enorm gewachsenen Personalkosten infolge hoher Tarifabschlüsse. „Auch mit den Ausgleichszahlungen von Bund und Land für Energie und Inflation sind Kliniken nicht in der Lage, die Kostenexplosion zu kompensieren“, so Landrat Dallinger.
Das darf so nicht weitergehen, sind sich die Verantwortlichen einig. „Wir können uns ein Defizit in dieser Höhe auf Dauer nicht leisten!“, formulierte Stefan Dallinger sehr deutliche Worte. Ein Hieb geht an die Bundes- und Landespolitik, allen voran an Gesundheitsminister Karl Lauterbach: „Die Gesetzgebung sieht vor, dass Krankenhäuser ihren laufenden Betrieb über die Krankenkassen finanzieren müssen. Für Investitionen in die Bausubstanz ist das Land zuständig. Beides passt vorn und hinten nicht mehr! Der Rhein-Neckar-Kreis muss einsparen, um das Defizit der GRN auffangen zu können.“
Und nicht nur der Kreis ist betroffen. Die Kreisumlage wurde im Haushalt 2024 um 3 Prozentpunkte erhöht. „Damit müssen auch die kreisangehörigen Städte und Gemeinden einsparen. Und das geht nicht auf Dauer“, findet der Landrat und sagt: „Wir appellieren nochmals an die Bundesregierung und alle Baden-Württembergischen Bundestagsabgeordneten, ihrer gesetzlichen Verpflichtung zur wirtschaftlichen Sicherung der Krankenhäuser nachzukommen und unbedingt vor der Krankenhausreform für eine stabile Finanzierungsbasis der Krankenhäuser zu sorgen.“
Sein Amtskollege Dr. Achim Brötel, Landrat im Neckar-Odenwald[1]Kreis, sieht es ähnlich: Trotz deutlicher Verbesserungen in den vergangenen Jahren werden die Investitionskosten immer noch nicht voll finanziert. Damit der Bedarf gedeckt werden kann, muss die Investitionssumme aufgestockt werden – jährlich um mindestens 300 Millionen Euro. „Die darin enthaltene, wichtige Pauschalförderung müsste dabei um mindestens 100 Millionen Euro auf 260 Millionen Euro pro Jahr erhöht werden,“ schließt Dr. Brötel sich den Forderungen der BWKG an. Außerdem müsse das Land zusätzlich ein Nothilfeprogramm mit einem Volumen von 300 Millionen Euro auflegen, um die in den vergangenen Jahren entstandenen Investitionslücken zu schließen.
„Entzieht sich die Bundesregierung weiter ihrer Verantwortung, können Versorgungseinschränkungen für die Bürger nur noch durch das Land Baden-Württemberg verhindert werden.“ Aber auch die Investitionsfinanzierung durch das Land sei nicht ausreichend. Dabei haben die Krankenhäuser laut Krankenhausfinanzierungsgesetz einen Rechtsanspruch auf die Finanzierung ihrer Investitionen durch das Land.
Bild GRN